Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Rücken schmerzte an der Stelle, wo sie sich an dem Auspuffrohr verbrannt hatte. Ihre Kleidung war starr vor Dreck, und auch ihr Gesicht war schmutzig. Aber all diese Dinge waren relativ unwichtig, verglichen mit ihrer kompletten emotionalen Verwirrung – sie hatte das Gefühl, über den Rand der Welt in die Tiefe gestürzt zu sein. Keines der üblichen Verhaltensmuster schien noch anwendbar zu sein. Sie konnte sich nicht vorstellen, heimzugehen, aber ebenso wenig konnte sie sich vorstellen, nicht heimzugehen. Sie hatte ihrem Vater getrotzt, ihm wirklich und wahrhaftig getrotzt …
    Sie musste diesen Gedanken rasch verdrängen, weil er ihr Übelkeit und weiche Knie verursachte. Sie liebte ihren Vater. Und lautete nicht eines der Zehn Gebote: »Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren«? Ja. Aber er war nicht er selbst gewesen, das war es. Er war jemand völlig anderes gewesen. Ein Hochstapler. Es …
    Plötzlich schoss ihr eine schreckliche Frage durch den Kopf, und sie fröstelte: Passierte das Gleiche vielleicht auch den anderen? Oder so etwas Ähnliches? Sie musste ihre Freunde warnen. Sie hatten Es verletzt, und vielleicht ging Es jetzt auf diese Weise gegen sie vor, um sicherzustellen, dass sie Es nie wieder verletzen würden. Und wohin sonst sollte sie auch gehen? Sie waren die einzigen Freunde, die sie hatte. Bill … Bill würde wissen, was zu tun war. Bill würde ihr sagen, was sie jetzt tun sollte, Bill würde ihr helfen.
    Sie blieb am Ende der Seminarauffahrt stehen und spähte um die Hecke auf die Kansas Street hinaus. Ihr Vater war nicht mehr zu sehen. Sie trat auf den Gehweg und ging stadtauswärts. Vermutlich würde zurzeit keiner ihrer Freunde in den Barrens sein. Sie würden jetzt alle zu Hause zu Mittag essen. Aber später würden sie sich wieder einfinden. In der Zwischenzeit konnte sie sich ins kühle unterirdische Klubhaus setzen und versuchen, sich ein bisschen zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen. Sie würde das schmale Fenster aufmachen, damit etwas Sonnenlicht einfiel, und vielleicht würde sie sogar einschlafen können. Ihr müder Körper und ihr überanstrengtes Gehirn verlangten nach Schlaf.
    Mit gesenktem Kopf trottete sie an den letzten Häusern vorbei; nun war es nicht mehr weit bis zum Steilabhang in die Barrens – die Barrens, wo ihr Vater, so unglaublich es auch zu sein schien, am Vormittag herumgeschnüffelt und sie beobachtet hatte.
    Sie hörte die Schritte hinter sich nicht. Die Jungen, die sie verfolgten, waren schon zu oft abgehängt worden, um noch ein Risiko einzugehen. Sie schlichen leise wie eine Katze hinter ihr her, verringerten dabei den Abstand jedoch immer mehr. Belch und Victor grinsten, aber Henrys Gesicht war ernst und ausdruckslos. Seine Haare waren ungekämmt und wirr, seine Blicke schweiften ruhelos hin und her, wie zuvor die von Al Marsh. Er legte einen schmutzigen Finger in einer Pst! -Geste an die Lippen, als sie nur noch zwanzig Meter – nur noch fünfzehn Meter – nur noch zehn Meter – von Beverly entfernt waren.
    Den ganzen Sommer hindurch hatte Henry auf einer ständig schmaler werdenden Brücke über dem Abgrund des Wahnsinns balanciert. An jenem Tag, als er Patrick Hockstetter erlaubt hatte ihn zu berühren, war diese Brücke nur noch ein Drahtseil gewesen. Und dieses dünne Drahtseil war nun auch noch gerissen. An diesem Morgen war er, nur mit einer abgetragenen gelblichen Unterhose bekleidet, auf den Hof hinausgegangen und hatte zum Himmel emporgeblickt. Der Mond war noch als bleicher Schatten zu sehen gewesen, und während Henry ihn betrachtet hatte, war plötzlich ein totenschädelartiges, grinsendes Gesicht daraus geworden. Ganz hingerissen von freudigem Schrecken, war Henry vor diesem Gesicht auf die Knie gefallen. Geisterstimmen kamen vom Mond. Sie änderten sich, schienen sich manchmal zu einem kaum verständlichen Kauderwelsch zu vermischen … aber er erkannte die Wahrheit, dass nämlich alle diese Stimmen in Wirklichkeit eine Stimme waren, dass ein Geist dahinterstand. Die Stimme hatte ihm gesagt, er solle sich mit Victor und Belch verabreden, und sie sollten gegen Mittag an der Ecke Kansas Street und Costello Avenue sein. Die Stimme hatte ihm gesagt, er würde dann schon wissen, was zu tun sei. Und tatsächlich war diese kleine rothaarige Fotze aufgetaucht. Er wartete darauf, dass die Stimme ihm sagen würde, was er als Nächstes tun müsse. Er erhielt die Antwort, während sie den Abstand zwischen sich und Beverly stetig

Weitere Kostenlose Bücher