Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
damals noch erinnerte, aber er erkannte verzweifelt, dass sich tatsächlich einiges verändert hatte. Die von ihnen ausgehende Macht war nicht einmal annähernd so stark – sie flackerte und zitterte wie eine Kerzenflamme im Luftzug. Die Dunkelheit schien undurchdringlicher und näher zu sein – direkt triumphierend. Und er konnte Es riechen. Diesen Tunnel hinab, dachte er, und dann ist es nicht mehr allzu weit bis zu einer Tür mit einem Zeichen darauf. Was war hinter dieser Tür? Das ist das Einzige, woran ich mich immer noch nicht erinnern kann. Ich erinnere mich, dass ich meine Finger versteift habe, damit sie nicht zitterten, und ich erinnere mich, die Tür aufgestoßen zu haben. Ich kann mich sogar an den Lichtstrom erinnern, der herausflutete, und dass dieses Licht fast lebendig wirkte, so als wäre es nicht einfach Licht, sondern zuckende, fluoreszierende Schlangen. Ich erinnere mich an den Geruch, wie im Affenhaus eines großen Zoos, nur noch schlimmer. Und dann … nichts.
    »E-E-Erinnert sich jemand v-von euch daran, w-w-was Es nun letztlich w-w-war?«
    »Nein«, sagte Eddie.
    »Ich glaube …«, begann Richie, und dann konnte Bill fast spüren, wie er im Dunkel den Kopf schüttelte. »Nein.«
    »Nein«, sagte Beverly.
    »Nein«, sagte Ben. »Das ist das Einzige, woran ich mich immer noch nicht erinnern kann. Was Es war … oder wie wir Es bekämpften.«
    »Chüd«, sagte Beverly. »So haben wir es bekämpft. Aber ich erinnere mich nicht, was das bedeutet.«
    »Steht mir bei«, sagte Bill, »und ich w-w-werde euch b-b-beistehen.«
    »Bill«, sagte Ben. Seine Stimme klang sehr ruhig. »Etwas kommt auf uns zu.«
    Bill lauschte. Er hörte schlurfende, stolpernde Schritte, die sich ihnen im Dunkel näherten … und er hatte Angst.
    »A-A-Audra?«, rief er … und wusste dabei schon, dass sie es nicht war.
    Was immer es war, das schlurfende, stolpernde Etwas kam immer näher.
    Bill zündete ein Streichholz an.

8
     
    Derry, 5.00 Uhr
     
    Das erste ungewöhnliche Geschehen in Derry ereignete sich an diesem Spätfrühlingstag 1985 genau zwei Minuten vor dem offiziellen Sonnenaufgang. Um zu verstehen, wie außergewöhnlich es war, musste man zwei Tatsachen wissen, die Mike Hanlon bekannt waren (der in tiefer Bewusstlosigkeit im Krankenhaus lag, als die Sonne aufging), und die beide die Grace Baptist Church betrafen, die seit 1897 an der Ecke Witcham Road und Jackson Street stand. Ihr Kirchturm endete – wie alle protestantischen Kirchtürme in Neuengland – in einer schlanken weißen nadelförmigen Spitze. Auf allen vier Seiten des Kirchturms waren Zifferblätter angebracht, und die Uhr selbst war im Jahre 1898 in der Schweiz hergestellt und mit dem Schiff nach Amerika gebracht worden. Es gab nur eine, die ihr ähnelte und die stand auf dem Rathausplatz in Haven Village, etwa sechzig Kilometer entfernt.
    Stephen Bowie, ein Holzbaron, der am West Broadway wohnte, schenkte die Uhr – die einschließlich Schiffsfracht mehr als siebzehntausend Dollar gekostet hatte – der Kirche. Bowie konnte sich das gut leisten, und er war ein sehr frommer Kirchgänger, der vierzig Jahre lang als Diakon diente (gleichzeitig war er mehrere Jahre lang auch Vorsitzender der Ortsgruppe Derry der »Maine Legion of White Decency«). Außerdem war er bekannt für seine frommen Laienpredigten am Muttertag – den er stets ehrerbietig als Mutter-Sonntag bezeichnete.
    Vom Zeitpunkt ihres Einbaus an bis zum 31. Mai 1985 hatte diese Uhr getreulich jede volle und halbe Stunde geschlagen – mit einer bemerkenswerten Ausnahme. An dem Tag der Explosion in der Kitchener-Eisenhütte hatte sie um 12 Uhr nicht geschlagen. Die Einwohner glaubten, dass Reverend Jollyn das Schlagwerk angehalten hatte, zum Zeichen, dass die Kirche um die toten Kinder trauerte, und Jollyn ließ sie in diesem Glauben, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach. Die Uhr hatte einfach nicht geschlagen.
    Und auch am 31. Mai 1985 um fünf Uhr morgens schlug sie nicht.
    In diesem Augenblick öffneten überall in Derry alte Menschen ihre Augen und setzten sich in den Betten auf. Ohne einen ersichtlichen Grund, auf den man den Finger hätte legen können, waren sie beunruhigt. Arzneimittel wurden geschluckt, Zahnprothesen eingesetzt, Pfeifen und Zigarren angezündet.
    Die Alten waren plötzlich auf der Hut.
    Einer von ihnen war der über neunzigjährige Norbert Keene. Er hinkte ans Fenster und betrachtete den immer dunkler werdenden Himmel. Der Wetterbericht hatte am Vorabend

Weitere Kostenlose Bücher