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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schönes, klares Wetter für diesen Tag gemeldet, aber seine Knochen sagten ihm, dass es regnen würde, und zwar heftig. Er war tief im Innern beunruhigt; er fühlte sich auf unerklärliche Weise bedroht, so als dringe ein Gift unaufhaltsam in Richtung seines Herzens vor. Ihm fiel plötzlich jener Tag wieder ein, als die Bradley-Bande unvorsichtigerweise ihren Einzug in Derry gehalten hatte und unversehens mit fünfundsiebzig Pistolen und Gewehren konfrontiert worden war. Nach solcher Arbeit war einem Mann irgendwie warm ums Herz, und er hatte sich auf angenehme Art träge gefühlt, so als wäre alles – nun ja, bestätigt worden. Er hatte es nicht besser ausdrücken können, nicht einmal für sich selbst. Nach solcher Arbeit fühlte ein Mann sich, als könne er ewig leben, und Norbert Keene war inzwischen verdammt nahe dran. Am 24. Juni würde er sechsundneunzig werden, und er ging immer noch jeden Tag fünf Kilometer spazieren. Aber jetzt verspürte er Angst.
    »Diese Kinder«, sagte er, ohne es zu wissen, während er aus dem Fenster blickte. »Was treiben diese verdammten Kinder nur? Womit spielen sie jetzt wieder leichtsinnig herum?«
    Egbert Thoroughgood, neunundneunzig Jahre alt, der im Silver Dollar gewesen war, als Claude Heroux mit seiner Axt den »Totenmarsch« für vier Männer spielte, erwachte im selben Moment, setzte sich auf und stieß einen heiseren Schrei aus, den niemand hörte. Er hatte von Claude geträumt, nur hatte Claude es auf ihn abgesehen gehabt, und die Axt war herniedergesaust, und gleich darauf hatte Thoroughgood seine eigene abgetrennte Hand auf der Theke zucken sehen.
    Etwas ist nicht in Ordnung, dachte er in seiner verworrenen Art und schlotterte vor Angst in seiner mit Urin befleckten langen Unterhose. Etwas ist fürchterlich falsch.
    Dave Gardener, der im Oktober 1957 George Denbroughs verstümmelte Leiche entdeckt hatte und dessen Sohn Anfang des Frühjahrs das erste Opfer des neuen Zyklus entdeckt hatte, öffnete genau um 5 Uhr seine Augen und dachte, noch ehe er auf die Uhr auf der Kommode schaute: Die Uhr der Grace Church hat die Stunde nicht geschlagen … was stimmt da nicht? Er verspürte große, undefinierbare Angst. Dave hatte es in all den Jahren zu finanziellem Wohlstand gebracht; 1965 hatte er den Schuhladen Shoeboat gekauft, und inzwischen gab es ein zweites Shoeboat im Einkaufszentrum von Derry und ein drittes in Bangor. Plötzlich schienen all diese Dinge, für die er sein Leben lang gearbeitet hatte, in Gefahr zu sein. Wodurch?, fragte er sich, während er seine schlafende Frau betrachtete . Aber wodurch? Warum bist du auf einmal so verdammt zappelig, nur weil diese Uhr nicht geschlagen hat? Aber er wusste darauf keine Antwort.
    Er stand auf und ging zum Fenster, wobei er seine Pyjamahose hochzog. Wolken jagten von Westen her über den Himmel, und Daves Unruhe nahm zu. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit dachte er an jene Schreie, die ihn vor siebenundzwanzig Jahren auf seine Veranda hatten stürzen lassen, und an die zuckende Kindergestalt im gelben Regenmantel, die er gesehen hatte. Er betrachtete die heranziehenden Wolkenmassen und dachte: Wir sind in Gefahr. Wir alle. Ganz Derry.
    Chief Andrew Rademacher, der aufrichtig davon überzeugt war, sein Bestes getan zu haben, um die neue Serie von Kindermorden in Derry aufzuklären, stand auf der Veranda seines Hauses, die Daumen unter seinen Sam-Browne-Gürtel geschoben, blickte zu den Wolken empor und verspürte die gleiche Unruhe. Etwas braut sich zusammen. Sieht ganz danach aus, als würde es noch in Kübeln gießen. Aber das ist noch lange nicht alles. Er schauderte … und während er noch auf der Veranda stand und der Duft des Specks, den seine Frau briet, durch das Fliegengitter wehte, fielen die ersten Zehncent-Stück großen Regentropfen und verdunkelten den Gehweg vor seinem hübschen Haus in der Reynolds Street, und irgendwo am Horizont über dem Bassey Park donnerte es.
    Rademacher schauderte erneut.

9
     
    George, 5.01
     
    Bill hielt das Streichholz hoch … und stieß einen langen, zittrigen, verzweifelten Schrei aus.
    George schwankte durch den Tunnel auf ihn zu, George, und er hatte immer noch seinen blutbefleckten gelben Regenmantel an. Ein Ärmel baumelte schlaff und nutzlos an ihm herab. Georges Gesicht war käseweiß, und seine Augen funkelten silbrig. Er starrte Bill an.
    »Mein Boot!« Georgies verlorene Stimme schwoll an, bebte durch den Tunnel. »Ich kann es nicht finden, Bill, ich habe

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