Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
zurück.
    »Wer war das?«, fragte Richie.
    »Ein Freund«, sagte Bill und stopfte seine Hände in die Hosentaschen. »Erinnert ihr euch noch daran? Wie wir letztes Mal rausgekommen sind?«
    Beverly nickte. »Eddie hat uns in die Barrens zurückgebracht. Nur sind wir irgendwie auf der anderen Seite des Kenduskeags rausgekommen. Auf der Old-Cape-Seite.«
    »Du und Haystack, ihr beide habt den Deckel von einem dieser Pumpwerk-Zylinder weggeschoben«, sagte Richie zu Bill, »weil ihr am kräftigsten wart.«
    »Genau«, fiel Ben ein. »So war es. Die Sonne schien, aber sie stand schon sehr tief am Himmel.«
    »Ja«, sagte Bill, »und wir waren alle z-z-zusammen.«
    »Aber nichts währt ewig«, murmelte Richie. Er sah den Hügel hinab, den sie gerade erklommen hatten, und seufzte. »Schaut euch beispielsweise das mal an.«
    Er streckte seine Hände aus. Die schmalen Narben auf den Handflächen waren verschwunden. Auch Beverly, Ben und Bill betrachteten ihre Hände. Sie waren schmutzig, aber die Narben waren fort.
    »Nichts währt ewig«, wiederholte Richie. Er schaute Bill an, und Bill sah, wie langsam Tränen über seine schmutzigen Wangen rannen.
    »Außer vielleicht Liebe«, sagte Ben.
    »Und Verlangen«, sagte Beverly.
    »Was ist mit Freundschaft?«, fragte Bill und lächelte. »Was meinst du, Schandmaul?«
    »Tja«, sagte Richie, grinste, rieb sich die Augen und sagte in breitem Südstaaten-Dialekt: »Weißte, es wär denkbar, dass … Nee, das trifft’s nicht. Ich bin dankbar. Verflucht dankbar.«
    Bill nahm seine Hände aus den Taschen, ergriff damit die ihrigen, und eine kurze Zeit standen sie schweigend da, sieben Freunde, die auf vier reduziert worden waren, aber noch immer einen Kreis bilden konnten. Sie sahen einander an. Auch Ben weinte jetzt, aber gleichzeitig lächelte er.
    »Ich liebe euch alle so sehr«, sagte er. Für einen Augenblick drückte er Bevs und Richies Hände fest – sehr fest -, dann ließ er sie los. »Vielleicht könnten wir jetzt mal nachschauen, ob man hier so was wie ein Frühstück bekommen kann. Und wir sollten Mike anrufen. Ihm sagen, dass wir okay sind.«
    »Grrroßartiges Idee, señ̃or!«, rief Richie mit seiner Pancho-Vanilla-Stimme. »Haystack, maaanchmal glaube ich faaast, du nicht bist so blöd, wie du siehst auuus. Was meinst du, Biiig Biiill?«
    »Biiig Biiill, du solltest dich mal selbst am Arsch lecken, Richie«, sagte Bill.
    Lachend betraten sie das Town House, und als Bill die Glastür aufstieß, erblickte Beverly etwas, über das sie niemals sprach – und es doch nie ganz vergaß. Einen Augenblick lang sah sie im Glas ihre Spiegelbilder – nur waren sie nicht zu viert, sondern zu sechst, denn Eddie war hinter Richie, und hinter Bill war Stan, und er hatte jenes für ihn so typische zaghafte Lächeln im Gesicht.

9
     
    Draußen, Abenddämmerung, 10. August 1958
     
    Die Sonne steht genau am Horizont, ein großer roter Ball, der ein flaches, fiebriges, nahezu unwirkliches Licht über die Barrens wirft. Der schwere Schachtdeckel auf einer der Pumpstationen – einem von Ben Hanscoms Morlock-Brunnenn – hebt sich ein wenig, senkt sich, hebt sich wieder … und beginnt, zur Seite zu rutschen.
    »Sch-Sch-Schieb, Ben, das D-D-Ding b-bricht mir n-noch die Schulter …«
    Der Deckel rutscht weiter zur Seite, neigt sich und fällt in das Gestrüpp, das rings um den Betonzylinder wächst. Nacheinander steigen sie heraus, sieben Kinder, die eulengleich blinzeln und sich in stummem Staunen umschauen, als hätten sie nie zuvor Tageslicht gesehen.
    »Es ist so still …«, sagt Beverly sanft.
    Die einzigen Geräusche sind das laute Plätschern des Flusses und das einschläfernde Summen der Insekten. Das Unwetter ist vorüber, aber der Wasserstand des Kenduskeags ist immer noch sehr hoch. Näher zur Stadt hin, unweit der Stelle, wo der Fluss in ein Betonkorsett eingeschnürt und Kanal genannt wird, ist er über die Ufer getreten, ist aber weit davon entfernt, ernsthafte Probleme zu verursachen – einige nasse Keller, höchstens. Diesmal.
    Stan entfernt sich von ihnen; das Gesicht ernst und nachdenklich. Bill sieht sich um und glaubt im ersten Moment, dass Stan am Ufer ein kleines Feuer entdeckt hat – Feuer ist sein erster Eindruck. Etwas blendend Rotes.
    Stan hebt das Feuer mit der rechten Hand auf, und als der Winkel des Lichteinfalls sich ändert, erkennt er, dass es nur eine Colaflasche ist, eine jener neuen, durchsichtigen, die jemand hier weggeworfen hat. Er beobachtet,

Weitere Kostenlose Bücher