Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
im Morgengrauen Sitzungen hatte. Es kränkte mich ein wenig, dass er daran nicht gedacht hatte, während er so stolz auf die Karten war. Wann würden wir wieder Sex haben? Unter diesen Umständen überhaupt nicht.
»Er hat für morgen Karten für Der Fliegende Holländer ergattert«, belehrte ich Betsy und horchte, wie das klang.
»Hmmm. Das ist schön.« Betsy ahnte, was in mir vorging, dachte aber nicht im Traum daran, mich darauf anzusprechen.
»Das Stück hat phänomenale Kritiken – Annabel war drin, und sie sagte, es sei toll.«
»Wunderbar«, sagte Betsy, wohlwollende Skepsis verströmend.
Langsam steigerte ich mich in die passende Begeisterung -hinein. »Ich bin so froh, einen Mann zu haben, der tatsächlich gerne ausgeht und sich etwas Lohnendes ansieht. Ich kann es nicht ertragen, zu viele Abende zu Hause zu verbringen.«
»Dennoch würde es dem jungen Matthew nichts schaden, ein wenig kürzer zu treten. Ist das seine Vorstellung von Spaß, oder versucht er, etwas zu beweisen?«
»Einige Menschen finden wirklich Gefallen an Opern, Betsy, so seltsam das auch scheinen mag.«
»Aber woher weißt du, dass es ihm gefällt? Ich meine, ein Abend in der Oper ist nicht gerade sehr ungezwungen.«
»Er sagt, es entspannt ihn«, erklärte ich.
»Eine komische Vorstellung von Entspannung. Er wird sich nie richtig entspannen, wenn er nicht aufhört, die ganze Zeit an die Arbeit zu denken.«
Es hatte noch nie Sinn gehabt, Betsy die inneren Beweggründe eines ehrgeizigen Mannes verständlich machen zu wollen. »Er kann nicht aufhören, an die Arbeit zu denken, solange er noch nicht Partner in der Kanzlei ist.«
Betsy leerte ihre Suppe und begann eine neue Maschenreihe. »Hat er noch einmal von Verlobung gesprochen?«
Nein. Das hatte er nicht. Aber das würde ich Betsy gegenüber doch nie zugeben, wenn ich es mir kaum selbst eingestehen konnte. »Wir reden manchmal darüber«, sagte ich. »Im Moment ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wir haben beide zunächst noch zu viel zu tun.«
Sie sah mich über ihre Brille hinweg ernst an. »Weißt du, ich war in deinem Alter bereits seit sechs Jahren verheiratet und hatte drei Kinder.«
»Ja, ich weiß. Aber inzwischen kam eine Kleinigkeit namens Feminismus daher, gerade rechtzeitig, um Frauen wie mich vor diesem grässlichen Schicksal zu bewahren.«
»Cassie, einer der wenigen Vorteile dessen, eine alte Schachtel zu sein, ist es zu wissen, was wirklich wichtig ist. Es gefällt mir nicht, dass du so viel Energie in deine Karriere investierst. Was für einen Sinn hat es, der erfolgreichste Mensch auf der Welt zu sein, wenn du kein Leben außerhalb des Büros hast?«
Sie erwartete keine Antwort auf diese Frage, die aber nun in der Luft hing wie der Nachgeschmack von Käse. Die unangenehme Tatsache war, dass ich mich sehnte, sehnte, so sehr sehnte, Matthew zu heiraten. Irgendwo in dieser zielstre-bigen Karrierefrau lauerte offenbar ein romantisches Weibchen, das nur danach strebte, geliebt zu werden. Wenn meine Arbeit zu stressig wurde, flüchtete ich häufig in eine heim-liche kleine Phantasie darüber, alles hinzuschmeißen, in einen grünen Vorort zu ziehen und eine Familie zu gründen.
Ich hatte nicht das Gefühl, jemals selbst eine richtige eigene Familie gehabt zu haben. Aus meiner Kindheit war ein beständig brennender Zorn zurückgeblieben. Auf dem Papier hatte ich das große Los gezogen. Meine Eltern waren beide Psychiater (mein Vater schrieb angesagt-populäre Bücher, meine Mutter machte sich einen Namen damit, geisteskranke Kriminelle zu behandeln), und wir lebten in einem hübschen georgianischen Haus im feinen Stadtteil Hampstead.
Aber es war ein Haus ohne Wärme. Meine Eltern – wohl hauptsächlich mein Vater – mochten weiße Wände und helles Holz sowie modernistische Skulpturen, die vor Stacheldraht strotzten. Nichts an diesem Ort erlaubte die Existenz eines Kindes. Meine geschmackvollen pädagogischen Spielzeuge beschränkten sich auf mein kahles und zugiges Spielzimmer. Meine Eltern arbeiteten ständig, mein Vater in einem gemieteten Büro und meine Mutter in ihren geschlossenen Gefängnistrakten. Die Aufgabe, mich aufzuziehen, wurde einer Reihe fremder Aupairmädchen überlassen.
Meine Eltern waren unterkühlte Menschen. Ich kann mich nicht an Zärtlichkeiten oder Ausgelassenheit erinnern. Ich wurde dazu erzogen, mich ruhig zu verhalten und nicht gegen die teuren, Angst einflößenden Möbel zu stoßen. Mein Vater ist ein nüchterner,
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