Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
Hin und wieder lief sie in die Küche und brachte mehr Saft oder Apfelstücke heraus. Das große Finale, wie ich mich noch heute erinnere, waren erstaunlich köstliche Schokoladenkekse.
Jimmy kam nach Hause. Die Jungen warfen sich mit ihren nassen Körpern auf ihn und durchtränkten sein Hemd. Ich fragte mich, ob er böse würde. Er lachte und kitzelte Ben am Bauch. Er schwang Frederick mit gewaltigem Platschen wieder ins Planschbecken. Er küsste Phoebe fest auf den Mund.
Sie lockerte seine Krawatte und sagte ihm, er sähe toll aus. »Schau, wer hier ist«, sagte sie und deutete mit dem Kopf in meine Richtung.
Er sah lächelnd zu mir herab. »Also habt ihr Rapunzel aus ihrem Turm hervorgelockt.«
»Sie heißt nicht Rapunzel«, sagte Frederick. »Ihr Name ist Cassie. Und weißt du was – sie hat noch nie einen Pillermann gesehen.«
Das stimmte – ich vergaß, das Interesse zu erwähnen, das wir gegenseitig an unseren Geschlechtsteilen hatten. Als meine anfängliche Schüchternheit erst geschwunden war, wollte ich alles wissen.
Jimmy sagte so etwas wie: »Ich wünschte, ich könnte dasselbe behaupten – ich habe den ganzen Tag Pillermänner beäugt.«
Phoebe lachte und sagte: »Nicht, Liebling – was ist, wenn sie es nachplappert? Sie werden sie nicht wiederkommen lassen.«
»Nun, das wollen wir natürlich nicht«, erwiderte Jimmy. »Es hat schon zu lange gedauert, Cassie kennen zu lernen. Wir wollen, dass sie bald wiederkommt. Nicht wahr, Äffchen?«
»Ja«, sagte Frederick bestimmt. »Ich mag sie, und ich mag ihren Hintern.«
So ließ sich meine Aufnahme in die Darling-Familie an. Ben und Frederick wurden meine ersten richtigen Freunde. Wir spielten und rangen und kicherten die langen Sommertage hindurch, die keinen Anfang und kein Ende zu haben schienen. Gudrun und Phoebe stellten fest, dass sie mich durch ein Loch in der Mauer hinüber- und herüberreichen konnten. Ich wurde automatisch in jegliche Vergnügungen einbezogen, die stattfanden. Ich besuchte mit ihnen im Laufe der Jahre das Laienspiel, den Zoo, Madame Tussaud’s, den Tower und all die anderen Attraktionen, an denen wohlhabende Londoner Kinder Gefallen fanden. Phoebe unternahm mit uns hin und wieder auch pädagogische Ausflüge – als kleines Beruhigungshäppchen für meine Eltern –, und ich erinnere mich beglückt daran, wie wir in der National Gallery und der Wallace Collection umherstreiften, wo Männer mit Dienstmützen Frederick schalten, weil er übers Parkett schlidderte und auf den Heizkörpern klimperte.
Jimmy vergaß sehr schnell, dass es eine Zeit ohne mich gegeben hatte. Ich wurde genauso wie die Jungen hochgeworfen, gekitzelt und bekam die Haare zerzaust. Er war ein warmherziger, leidenschaftlicher Mensch, der gerne mit Kindern zusammen war. Er brüllte leicht, aber ich hatte nie Angst, wenn Jimmy mich anbrüllte. Es gehörte alles dazu, so harmlos und erfrischend wie eine steife Brise. Ich fühlte mich dazugehörig.
Frederick warf (zur eisigen Verärgerung meines Vaters) -gerne Erdklumpen an unsere Fenster, damit ich herauskam. Ben gab mir manchmal über die Mauer hinweg Bescheid, wenn Phoebe einen Schub Kekse buk. Einmal, als ich aus einem unbestimmten Grund nicht da war, steckte er netterweise einen Schokoladen-Brownie durch unsere Haustür. Wir drei waren ein Team. Ich schaue nun zurück, und es versetzt mir einen Stich, wenn ich daran denke, wie liebevoll Phoebe zu mir war, wie sie dem stacheligen kleinen Wesen, das ich gewesen sein muss, ihre Arme und ihr Herz öffnete.
Meine Eltern akzeptierten die Darlings nicht. Sie sprachen nicht darüber, sodass ich die Gründe dafür nur vermuten kann. Ich glaube, es hatte etwas mit Kontrolle zu tun. Mein Vater fürchtete Chaos und hatte meiner Mutter eingeimpft, emotionale Zurschaustellungen zu vermeiden, da sie gefährlich sein könnten. Aber sie fanden sich damit ab, dass ich so viel Zeit nebenan verbrachte. Tatsächlich waren sie erleichtert, mich vom Hals zu haben, wenn Gudrun anderweitig zu tun hatte. Sie deuteten häufig an, dass Kinder eine schwere Verantwortung darstellten und dass die Darlings nur zu primitiv wären, um sich darüber Gedanken zu machen.
So vergingen die nächsten paar Jahre. Die Darlings und ich gingen auf verschiedene Schulen, hielten aber den unbeschwerten, zwanglosen Pendelverkehr zwischen beiden Häusern aufrecht. Unsere Eltern gelangten zu einer distanzierten Herzlichkeit. An jedem Weihnachten baten die Darlings -meine Eltern auf einen
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