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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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gesammelte Urlaubslektüre der Gäste zur Wiederverwendung eingelagert war, eine Wanderkarte hervor, zwar schon zwanzig Jahre alt, aber immer noch gut brauchbar, da sich in Wäldern und auf Bergen ja nichts groß ändert. Der Schießplatz war nicht eingezeichnet, aber vom Reitstall aus konnte Stella die ungefähreRichtung nachvollziehen und so zogen sie los. Irma in Stellas Wanderschuhen, Stella in ihren Joggingschuhen, obwohl sie sich genierte, wenn sie außer beim Joggen darin gesehen wurde. Irma bestand auf Proviant und akzeptierte die Pfirsiche aus der Küche der Casa Pornello nur, weil es keine Äpfel gab. Außerdem packte sie eine Flasche Wasser in ihre Handtasche, denn auch ein Rucksack war nirgends aufzutreiben. Erst zehn Minuten später fiel ihr auf, dass sie ihr schickes Hermès-Kopftuch vergessen hatte, aber da war es schon zu spät, noch mal zurückzugehen.
    Sie fanden den Schießplatz erstaunlich schnell. Nach 40 Minuten zügigem Gehen erkannte Stella den Pfad, den sie schon auf Angelinas Rücken hinaufgeklettert war, und kurz darauf stand sie mit Irma auf der Lichtung mit den überwucherten Resten der Bretterbude. Während Irma zwei Pfirsiche schälte und sich ärgerte, keine Erfrischungstücher dabeizuhaben, um sich den Saft von den Händen zu wischen, suchte Stella den Platz nach irgendetwas ab, was ihr verdächtig vorkam. Vielleicht hätte ein Trupp Polizeifahnder mit Suchhunden etwas gefunden, ihr fiel nichts Außergewöhnliches auf. Die Sonne hatte den Zenit schon überschritten und wanderte auf den westlichen Horizont zu. Grillen und Mücken zirpten und summten, ein paar Vögel plauderten in Erwartung der Abendkühle, und vom Weiler auf dem nächsten Hügel hörte man Autogehupe, lachende Stimmen und einen Rasenmäher. Die Zivilisation lag um die Ecke, der Platz war nicht so abgeschieden, wie seine Lage im Kastanienwald, außer Sichtweite vom Dorf, vermuten ließ. Was auch nicht weiter verwunderlich war, kein Schütze mit dem Gewehr auf dem Rücken würde einen langen Fußmarsch zum Schießplatz auf sich nehmen. Vom Dorf führte eine Forststraße hoch, die sehr gut mit dem Auto befahren werden konnte. Der abkürzende Fußweg war zwar inzwischen vom Gestrüpp fast gänzlich vereinnahmt, aber noch gut zu erkennen und ohne Probleme zu begehen. Alles völlig unverdächtig.
    Stella war enttäuscht, als sie ziellos mal in die eine, mal in die andere Richtung ging, wie ein Jagdhund, der vergeblich versucht, Witterung aufzunehmen. Irma trug auch nicht zur Erhellung der Lage bei. Frisch gestärkt vom Pfirsich folgte sie ihrer ratlosen Tochter den Weg den Hang hinunter bis zum Jägerunterstand an der Kastanie, der Stella schon mit Marlene aufgefallen war. Erneut inspizierte sie das Rund aus in den Boden gerammten Ästen und fragte, warum um Himmels willen die Jäger in Italien sich mit solch primitiven Unterständen begnügten, statt sich solide Hochsitze zu bauen wie in Deutschland, wo man ganz gemütlich das Wild bei einem Glühwein aus der Thermosflasche beobachten konnte.
    »Da hat man ja einen überraschend guten Blick nach allen Seiten«, sagte Irma und lugte neugierig zwischen den Ästen durch.
    Stella steckte eine Patronenhülse ein. Nur zum Andenken. Valerie war laut Luca mit einer einzigen Kugel erschossen worden, deren Kaliber sie sich genauso wenig hatte merken können wie Autotypen, Straßennamen oder Berggipfel. Als ob ihr Gehirn nie die dafür notwendigen Synapsen entwickelt hatte. Irma nahm den Pfad, der hinter dem Unterstand den Hügel hinunterführte und sich nach ein paar Metern als ziemlich rutschig erwies. Er wurde immer steiler und unten im Tal hörte man den Bach rauschen. Schon etwas ermüdet von ihrer sinnlosen Suche folgte Stella ihrer Mutter, die munter, als würde ein Kaffee mit einem Stück Rhabarberbaiser locken, nach unten stapfte. Der Zugang zum Bach war mit Stacheldraht versperrt, aber entlang des Zauns führte ein Pfad, dem Irma folgte.
    »Mutter, das ist doch sinnlos«, rief Stella hinter ihr her, aber Irma ließ sich nicht beirren.
    »Du gibst immer viel zu schnell auf«, mahnte sie. »Hier wird es doch erst richtig interessant.«
    Vor die Entscheidung gestellt, ihre Mutter allein im Dickicht verschwinden zu sehen oder sie vorsichtshalber im Blick zubehalten, entschied sie sich für Letzteres. Ob sich mit dem Stacheldrahtzaun ein Großgrundbesitzer gegen den anderen abgrenzte, fragte sie sich, und ob hier Wachsoldaten patrouillierten wie an echten Landesgrenzen? Aber

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