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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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weit und breit war keine Menschenseele zu sehen und die Geräusche vom Ort waren auch nicht mehr zu hören. Der Bach gluckerte heimelig. Wenn sie genauer gewusst hätte, wo sie waren, hätte Stella dem Spaziergang durchaus eine genießerische Komponente abgewinnen können. Die Schatten wurden schon länger, und Stella beruhigte die Tatsache sehr, dass ihre Mutter eine Karte in der Handtasche mit sich trug.
    »Ist es nicht schön hier?«, rief Irma. »Fast wie in den Alpen.« Sie blieb schnaufend stehen. »Aber warum sie so ein hässliches Betondingsbums dahin stellen müssen, ist mir schleierhaft.«
    Sie deutete auf ein kleines graues Betonhaus mit Flachdach, das die Ranken eines wilden Weinstocks romantisch bekletterten. Das einzige Fenster hatte keine Scheibe, aber ein stark rostendes Gitter. Über der geschlossenen grauen Stahltür stand Fontana Communale 1962 .
    »Ist bestimmt abgeschlossen.« Stella versuchte, die Tür der Gemeindequelle zu öffnen.
    Zu zaghaft für Irmas Geschmack. »Und warum ist dann das Laub zur Seite geschoben, als ob jemand die Tür geöffnet hätte?« Energisch ergriff sie die Klinke und drückte mit ihrem Köpergewicht gegen die Tür. Ohne auf ihr neues Tupfenkleid zu achten, dem Rost und Schimmel garantiert nicht gut bekamen. Nicht abgeschlossen.
    Von innen dröhnte das Rauschen von Wasser, viel stärker als der Bach es zustande brachte. Die Sonne malte im Halbdunkel ein Schattenbild aus Gitterstäben und zitternden Ästen an die Wand. Die Quelle wurde von drei treppenartig angelegten Betonbassins eingefasst, von denen das Wasser immer in das nächste darunter überlief und dann in einem Rohr verschwand. Es roch moderig nach Pilzen, Moos, Schimmel und Farn. Stellaspürte die Gänsehaut an ihren Armen, die diesmal ausnahmsweise nicht von der Angst kam, sondern weil die Temperatur ungefähr der in der Münchner Aussegnungshalle entsprach. Der ideale Fundort für eine Leiche, dachte sie. Sie stellte sich den leblosen Körper vor, im mittleren Wasserbassin treibend, und fragte sich, ob sie nicht langsam von der ganzen Geschichte mit Valerie einen psychischen Knacks bekam.
    Irma rüttelte an einer kleinen Metalltür in der Mauer des obersten Wasserbeckens. Vergeblich. Sie ließ sich nicht öffnen. Wahrscheinlich der Zugang zu irgendwelchen Rohren darunter. Aber Irma war schon immer sehr stolz auf ihre Hartnäckigkeit gewesen, einer ihrer Charakterzüge, mit dem sie es im Leben überall dahin gebracht hatte, wo sie hingewollt hatte, wie sie Stella gern predigte. Sie zog ein blau blinkendes Schweizer Taschenmesser mit allen Utensilien für einen kleinen Einbruch aus ihrer Handtasche, schraubte routiniert wie ein Panzerknacker das Schloss ab und stemmte die Tür auf. Dahinter schlängelten sich ein paar Rohre.
    Viel interessanter war aber die relativ große Damenhandtasche aus feinem türkisfarbenem Leder, die davorstand. Einfach so.
    Eine Kellybag, wie Stella mit dem Kennerblick einer Frauenzeitschriftenredakteurin erkannte. Nur das kleine Vorhängeschloss, das Kennzeichen der Tasche, fehlte. Funkelnagelneu und hoheitsvoll thronte sie inmitten der modrigen Umgebung und schien arrogant die unstandesgemäße Unterbringung zu ignorieren.
    Irma klatschte vor Begeisterung in die Hände. Ohne Schloss konnte sie die Tasche an Ort und Stelle öffnen. Neugierig schaute sie hinein, auffallend länger als unbedingt nötig war, dann reichte sie die Tasche wortlos an Stella weiter. Ihr hatte es ausnahmsweise die Sprache verschlagen.
    Die Tasche war voller Banknoten.
    Bei dem Anblick von so viel Geld hätte Stella sich gern gesetzt,aber es gab kein trockenes Plätzchen. Sie ging nach draußen, suchte den nächsten Felsbrocken in der Sonne und leerte die Tasche aus. Alles Geld auf einen Haufen. Irma setzte sich daneben ins feuchte Gras. Immer noch wortlos. Stella nahm die Banknoten. Stapel für Stapel. Sie fühlten sich echt an. Druckfrisch, soweit sie das beurteilen konnte. Zum großen Teil mit Banderolen zu handlichen kleinen Bündeln gepackt. Gute, ehrliche, vertrauenswürdige Euros. Sie zählte. Es ging langsam, nicht so zügig wie bei einem Kassierer am Bankschalter. »99   500 Euro, wenn ich mich nicht irre.« Sie flüsterte. Irma sah, ganz gegen ihre Gewohnheit, ziemlich verwirrt aus. Stella schob das Geld wieder in die Tasche. »Was machen wir jetzt?« Irma hob nur ratlos die Schultern.
    »Was für eine grässliche Farbe«, waren die ersten Worte, die sie wiederfand. »Wie für ein Russenflittchen.

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