Es sterben immer drei
Wendeltreppe die Führung. Er schien sich auszukennen. Sie folgte ihm und hoffte, dass die verräterischen Spuren seiner schmutzigen Pfoten auf den makellosen Teppichen weder Jochen noch Emilia alarmieren würden.
Im Jagdzimmer roch es muffig, als sei schon lange nicht mehr gelüftet worden, aber sonst war seit ihrem ersten Besuch alles unverändert geblieben.
Häufig schien Jochen sein Allerheiligstes nicht zu frequentieren. In einer Nische hing seine Jagdkleidung, frisch gereinigt und gebügelt, und wartete auf ihren Einsatz. Grüne Hosen und Anoraks, gelbe Warnwesten, Jacken mit vielen Taschen, Pullover und T-Shirts in allen möglichen Tarnfarben, von Sand, überSchlamm zu Olive, aber keine Fleecejacke. Die hatte die Polizei ja schon, ohne dass die ukrainische Büroklammer am Reißverschluss Jochen als Mörder überführt hätte.
Platz für die unauffällige Unterbringung eines Gewehres gab es im ganzen Jagdstüberl nicht. Der Gewehrschrank war auch diesmal vorschriftsmäßig abgesperrt. Der Schlüssel hing bei einem Pedanten wie Jochen sicherlich schön ordentlich am selben Bund wie Haus- und Autoschlüssel. Außerdem, so phantasielos, die Mordwaffe im Gewehrschrank zu verstecken, war nicht einmal ein Topmanager der Medienbranche.
Derrida fiel ihr erst wieder auf, als er neugierig näher kam und die Geländeschuhe beschnupperte, die unter den Kleidungsstücken ordentlich aufgereiht standen, pingelig mit der Drahtbürste von Laub und Erde befreit. Der Hund wedelte freundlich mit dem Schwanz, als Signal, dass sie ihm nicht böse sein soll, behielt dabei aber konzentriert die Nase auf den Schnürsenkeln. Stella bedauerte, nicht auch nur annähernd seinen Spürsinn zu besitzen und hielt ihm mit einem letzten Restchen Hoffnung eine von Jochens Jagdwesten hin. Polizeihunde rochen menschliche Hautschuppen noch nach Wochen, hatte sie gelesen, vielleicht schalteten seine Geruchsnerven seinen Sinn für Zusammenhänge ein und er fand doch noch das Gewehr. Sie überlegte, ob sie die Schuhe Luca aushändigen sollte. Vielleicht gab die DNA was her. Aber dann nahm sie doch an, dass er selbst oder Commissario Eichhörnchen auf die Idee gekommen wären, Jochens Jagdkleidung untersuchen zu lassen, wenn sie sich etwas davon versprochen hätten. Außerdem gab es kein Behältnis, um die Schuhe unauffällig an Kleemann und etwaigen anderen Bewohnern der Casa Pornello vorbeizuschmuggeln. Wusste der Kuckuck, was Derrida roch. Höchstwahrscheinlich die Schweißfüße des Besitzers.
Sie zog den Vorhang der Kleidernische wieder zu. Eine blödsinnige Idee von Irma, zu glauben, Jochen würde die Mordwaffe ausgerechnet hier verstecken. So einfach war das nicht. Er warschlau genug, seine Spuren zu verwischen. Das praktizierte er tagtäglich in seinem Nahkampf im Büro, dachte sie gehässig. Für so clever, dass er ein paar italienische Provinzcarabinieri hinters Licht führen konnte, hielt er sich allemal. Und für schlauer als eine deutsche Klatschreporterin sowieso. Sie trat den Rückzug an, bevor sie sich komplett der Lächerlichkeit preisgab.
Zum Abschied streichelte sie ein Horn des Wildschafs aus dem Altaigebirge. Und wieder wallte die Wut in ihr auf, die sie überhaupt erst die Stufen hinab getrieben hatte. Euch werde ich rächen, dachte sie. Euch und Valerie. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber dieses verdammte Gewehr werde ich finden, und wenn ich dafür den Apennin mit eigenen Händen umwühlen muss. Das war zwar kein realistischer Gedanke, aber ein tröstlicher.
Die Schritte auf der Treppe von Jochens Loft hinunter in sein Jagdzimmer hörte sie nur, weil Derrida alarmiert unter der Eckbank hervorkam und die Ohren hochstellte. Er lauschte so auffällig, dass auch Stella das leichte Knarren der Holzdielen hörte. Das konnte nur bedeuten, der Hausherr oder wahlweise seine Putzfrau waren auf dem Weg hierher. Sich jetzt in der Sperrzone erwischen zu lassen, womöglich noch von Jochen höchstpersönlich, bedeutete, dass sie nie mehr auch nur in die Nähe des Apennin kommen würde. Er würde auf der Stelle dafür sorgen, sie in Abschiebehaft nach Deutschland verrotten zu lassen.
Das einzige Versteck, um sich dem direkten Zugriff des aufgebrachten Hausherrn zu entziehen, war die Kleidernische mit dem Vorhang davor. Sie hoffte, Jochen kam nicht, um sich ausgerechnet ein Jagdoutfit aus seinem Arsenal zu holen, und schlüpfte hinter einen langen Lodenmantel, der sie nur unzureichend verdeckte, aber eine gewisse Sicherheit vorgaukelte.
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