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Es sterben immer drei

Es sterben immer drei

Titel: Es sterben immer drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Bus
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fragte sie.
    »Die ukrainische Büroklammer«, prustete er.
    »In Form eines Hundeknochens«, bestätigte Stella. »So eine, wie an Valeries Leiche gefunden wurde. Hat dir der Maresciallo das nicht erzählt?« Sie wurde langsam wütend auf ihn. Er bedrohte sie und benahm sich dabei, als ob er sich in einer Sitzung des Mainzer Karnevalsvereins köstlich amüsieren würde. »Nimm endlich das verdammte Gewehr weg«, sagte sie.
    Erstaunlicherweise gehorchte er und legte das Gewehr neben sich auf den Tisch. Allerdings zeigte der Lauf immer noch in ihre Richtung. Er setzte sich rittlings auf einen der geschnitzten Jagdstüberlstühle, die Lehne mit dem herzförmigen Loch vor dem Bauch.
    »Die Polizei weiß über die Herkunft der ukrainischen Büroklammer längst Bescheid«, sagte er aufgeräumt. »Darf ich dich darüber aufklären, wie sie an meinen Reißverschluss kam.« Er machte es sich mit den Oberarmen auf der Lehne bequem. »DieEmpfangsdame im Hotel in Barnaul hat sie mir spendiert, weil ich den Reißverschlussanhänger an meiner Jagdjacke verloren hatte und den Reißverschluss nicht mehr richtig auf- und zuziehen konnte. Die Menschen in dieser Gegend sind in einer Mangelgesellschaft aufgewachsen und wissen sich zu helfen. Sie hatte die Idee, einfach ersatzweise eine Büroklammer zu benutzen. Genau das habe ich auch dem Commissario gesagt, der Gott sei Dank diesen überheblichen Maresciallo abgelöst hat.«
    Er nahm das Gewehr wieder in die Hand und fummelte am Bügel herum. Irgendetwas schnappte mit einem leisen Klacken ein. Entweder er entsicherte es. Oder sicherte es. Stella kannte den Unterschied nicht. Schließlich stellte er das Gewehr senkrecht auf das rechte Knie. Ein versehentlicher Schuss würde durch die Decke gehen. Stella atmete ganz leise auf.
    »Weil die Jacke verschwunden ist, konnte ich dem Commissario keinen Beweis für meine Aussage vorlegen«, sagte Jochen. »Aber Emilia erinnerte sich, drei Tage nach dem Mord die Jacke inklusive Büroklammer in die Wäscherei gebracht und am nächsten Tag wieder abgeholt zu haben. Auch die sibirische Empfangsdame bestätigte meine Geschichte. Sie hat mir eine einzige Büroklammer geschenkt. Und die war drei Tage nach dem Mord noch an ihrem Platz. Obwohl die Jacke verschwunden blieb, sah die Polizei keinen Grund, mich festzunehmen.«
    In rasender Eile versuchte Stella, ihre Synapsen nach logischen Gesichtspunkten einschnappen zu lassen. Sie bedauerte, kein Schachspieler zu sein, also völlig unerfahren im Überblicken von möglichen Zügen und deren Konsequenzen. Tischte Jochen ihr ein Märchen auf oder sagte er die Wahrheit? Glaubte ihm die Polizei oder brauchte sie bloß noch mehr Beweise, um ihn festzunehmen? War der Diebstahl des Boltanski-Gewehres bekannt? War Jochen schuldig oder unschuldig? All diese Fragen konnte sie in beliebiger Reihenfolge kombinieren, ohne irgendeine Erkenntnis daraus zu gewinnen. Es gab nur eine Taktik, sich zu retten. Sie musste ihn in seiner Annahme bestätigen,sie sei völlig naiv und ungefährlich. Sie nahm nicht an, dass es dazu viel Überzeugungsarbeit bedurfte. So bestand zumindest eine Chance, dass er sie laufen ließ, ohne sein Gewehr auf sie abzufeuern. Warum sollte er sich mit einer toten Stella zusätzliche Schwierigkeiten aufhalsen. »Dann ist doch alles wunderbar. Du bist unschuldig und die Carabinieri werden den wahren Mörder schon finden. Da musst du einfach Vertrauen haben.«
    Er schaute Stella geistesabwesend an, als sei er in Gedanken gerade an einem ganz anderen Punkt. »Warum denken alle, ich hätte sie umgebracht«, beklagte er sich. »Valerie war doch mein Hase, meine Schnecke. Mein Wildschwein. Ich habe sie doch geliebt.« Er sprach wie ein Papa von seiner kleinen Tochter. Sogar seine Stimme veränderte sich.
    Der plötzliche Stimmungswechsel beunruhigte Stella. Der arrogante Jochen war ihr lieber, darauf hatte sie sich inzwischen eingestellt. Seine romantische Version machte sie dagegen misstrauisch. Innerhalb von zwei Tagen hatte sie nun mehr Männer von Liebe reden hören, als in ihrem ganzen Leben zuvor, und langsam begann sie sich zu fragen, was damit wohl gemeint war.
    Jochen fummelte geistesabwesend am Gewehr herum wie andere Leute beim Telefonieren mit einem Bleistift spielen. Aber wenigstens rastete nicht wieder irgendein Scharnier ein.
    Noch vor einer Minute hatte Stella sich eindeutig in Gefahr gewähnt. Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher. Jochen schien zu abwesend zu sein. Zu sehr in

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