Es sterben immer drei
die Rede auf kulturelle Leistungen oder politische Errungenschaften der 68er kam, war Irma immer so stolz, als sei sie persönlich der Urheber. Ihr politisches Engagement hatte sich auf die Teilnahme an ein paar Demonstrationen gegen den Schah, den Abtreibungsparagraphen oder die Neonazis beschränkt, aber immer noch fühlte sie sich als Angehörige einer einzigartigen revolutionären Jugend, die Deutschland vom Mief der 50er-Jahreund den unerfreulichen Nachwirkungen des Nationalsozialismus befreit hatte. Im Mai 1968 war sie in Paris als Touristin versehentlich am Montmartre in eine Straßenschlacht zwischen Demonstranten und Polizisten geraten und vor den Gummiknüppel schwingenden Staatsbeamten in die Metro geflüchtet. Davon erzählte sie so gern wie die Generation ihres Vaters von Kriegserlebnissen, und daher rührte auch ihre lebenslange Sympathie für französische Lebensart. François Truffaut, der Regisseur von ›Jules und Jim‹, gehörte selbstverständlich dazu.
»Jeanne Moreau ist sehr schön«, rief Luis vom Rücksitz. Er hatte sich gegen den Fahrtwind im Cabrio eine von Ottos Baseballmützen geliehen, obwohl er die Dinger verachtete.
Sie waren unterwegs zu einem Laden, in dem die Wein- und Olivenbauern der Gegend ihre Erzeugnisse verkauften. Luis beharrte als Schweizer Dickkopf auf seiner Ansicht, dass Valerie ihre Recherchen in Sachen gepanschtes Olivenöl zum Verhängnis geworden waren. Irgendjemandem war sie zu nahe gekommen, irgendjemandem zu frech geworden, und der hatte sie kurzerhand aus dem Weg geräumt. Die Frage war nur: Wer? Er sammelte Fakten für seine Theorie der Mafiaverschwörung, in die er auch die Contessa verwickelt wähnte. Deswegen seine Nachforschungen während des Festes in ihrem Schloss, die bislang allerdings zu keinen nennenswerten Erkenntnissen geführt hatten, außer zu schmutzigen Schuhen. Trotzdem fand er es an der Zeit, Stella in die Geheimnisse qualitativ hochwertiger Olivenölproduktion einzuweihen. Das würde sie für ihre Geschichte brauchen.
Stellas Hinweis auf die emotionalen Verwicklungen der alten Freunde in der Casa Pornello konnte ihn nicht vom Gegenteil überzeugen. Sie interessierte sich für das Psychodrama der Dreiecksgeschichte zwischen Jochen, Kleemann und Katharina mit Valerie in der Opferrolle. Luis suchte, wie die Polizei, nach Fakten. Stella faszinierten die Gefühle. Und die Symbolik, mit der sie sich verrieten. Jochen nannte Katharina Catherine, sohieß auch Jeanne Moreau in Truffauts Film. Aber die Hingabe Katharinas an den tourbillon de la vie , den Wirbelsturm des Lebens, waren für ihn olle Kamellen. Kleemann pfiff bewundernd auf zwei Fingern, wenn Katharina sang, aber mutete ihr seine immer jüngeren Geliebten zu. Und dann die Bilder, die Katharina malte. Sie als blutendes Opfer, auf das die beiden Männer mit ihren Gewehren zielten. Amor im Doppelpack und dazwischen ein Psycherl.
»Soweit ich mich erinnere, ist Jeanne Moreau in dem Film eine manipulative, selbstverliebte, egomanische Zicke und nur erträglich, weil sie so gut aussieht«, rief sie. Im Rückspiegel konnte sie Luis nicken sehen.
»Also wirklich!« Irma war entrüstet. »Sie ist eine kapriziöse Französin, ein Traum von einer Frau. Eine Naturgewalt. Alle Männer waren damals in sie verliebt.«
»Ich habe mich eher gefragt, warum beide Männer sich so von ihr an der Nase herumführen lassen. Vor allem Oskar Werner, das Lamm. Warum hat er sie nicht einfach rausgeschmissen?«
»Er liebt sie eben. Da merkt man, wie wenig Ahnung du von Liebe hast.« Irma behielt gern das letzte Wort. Dafür scheute sie auch vor unfairen Mitteln nicht zurück.
Aber so schnell ließ Stella sich nicht mundtot machen. »Sie ist ein Scheusal. Sie bringt sich um und den besten Freund ihres Mannes gleich mit und denkt keine Sekunde drüber nach, mit welchem Schmerz sie ihn zurücklässt. Und ein kleines Kind hat sie auch noch. Nein, diese Frau ist keine Naturgewalt, sondern eine egomanische Idiotin. Die hätte dringend eine Psychotherapie gebraucht.«
Luis lachte. »Interessant ist auch die Beziehung der beiden Männer. Wie sie an ihrer Freundschaft festhalten, obwohl sie beide dieselbe Frau lieben. Wie jeder großzügig für den anderen verzichtet und sie dann wieder aufnimmt, wenn sie den anderen satt hat.«
»So selbstlos, nicht zum Aushalten«, bestätigte Stella. »Unddie Botschaft, die dahintersteckt. Wir Männer pflegen so wunderbare, großartige Freundschaften, nichts kann uns trennen. Erst
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