Es sterben immer drei
gewesen?«
»Erzähl ich dir später«, flüsterte er kauend. »Zu gefährlich hier.«
Sie stöhnte, aber nur leise. Luis und seine Alleingänge. Was hatte er jetzt schon wieder aufgetan? Um nicht als recherchierfaul dazustehen, erzählte sie ihm von Kleemanns Vaterschaftsgeständnis. So leise, dass der Conte am Ende der Couch, sollte er wider Erwarten Deutsch sprechen, nichts verstehen konnte. Luis nickte, als kenne er die Neuigkeit schon.
»Findest du das nicht merkwürdig?«, flüsterte Stella, enttäuscht, dass er so wenig beeindruckt war. Nicht mal erstaunt. »Zwei Männer, die von sich behaupten, eine Frau geschwängert zu haben, die sich nicht mehr wehren kann, weil sie inzwischen tot ist. Die Einzige, die die Wahrheit kannte.«
Luis verschlang unbeeindruckt Pastetenbröckchen. »Die spannende Frage ist doch, warum sie beide behaupten, der Vater zu sein. Zu erben gibt es nichts von Valerie. Sie waren ja nicht mit ihr verheiratet. Wenn die Kinder leben würden, würde für den Vater vielleicht was von dem gräflichen Opa abfallen. Aber so? Das macht alles keinen Sinn. Ein Mann, der weiß, dass eine Frau von ihm schwanger ist, wird sie ja wohl kaum umbringen.« Er schaute kauend in das kosmische Glimmern vor den Fenstern.
»Vielleicht erklärt genau das den Bekennereifer der beiden«, schlug Stella vor. »In der Hoffnung, dass sie als Vater nicht inMordverdacht geraten.« Sie überlegte. »Oder wir haben es hier mit einem der seltenen Fälle zu tun, in denen Zwillinge von zwei Vätern gezeugt wurden. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit? Eins zu einer Milliarde?«
Luis beendete seinen Ausguck ins Weltall und fixierte Stella mit seinem Blick. »Du hast zu lange für Frauenzeitschriften geschrieben«, stellte er fest. »Dir ist nichts Menschliches mehr fremd. Erschreckend.« Er stupste sie aufs Knie, als Hinweis, das sei jetzt aber als Witz gemeint.
»Darf ich?« Marlene plumpste neben sie auf das Sofa, schnappte sich eine Scheibe Käse von Luis’ Teller und schaute sich zufrieden um. »Großes Kino hier«, sagte sie und betrachtete Karl, der gerade in den Raum hereinkam und aussah wie immer. Als wüsste er nicht, was Tränen sind. Marlene warf ihm eine Kusshand zu. »Und mein Liebhaber in einer Hauptrolle. Wunderbar.« Sie lachte. Gegenüber klimperte Luca erstaunlich virtuos auf einer Gitarre. Noch eine Seite, die Stella nicht an ihm kannte. Katharina saß mit geschlossenen Augen neben ihm und wiegte sich im Takt. Es sah ganz danach aus, als konzentriere sie sich für einen Gesangesvortrag. »Ach nein, Catherine!« Jochen befürchtete dasselbe. Marlene wedelte aufgeregt mit den Händen. »Das Lied kenne ich.« Und ohne Rücksicht auf Katharina begann sie loszuplärren. Es hörte sich an wie Französisch und klang, als wollte sie einen Witz daraus machen. Luca bemühte sich um den passenden Takt. Dann stimmte auch Katharina ein. Mit rauchiger, schöner Stimme. Sie schaffte es, ohne Marlene zurechtzuweisen, dass sie ihr Gegröle einstellte und nur noch leise mitsummte.
Chacun pour soi est reparti
Dans le tourbillon de la vie
Je l’ai revue un soir oh là là
Elle est retombée dans mes bras
Das Lied hatte ziemlich viele Strophen und zog sich hin. »Immer diese ollen Kamellen«, stöhnte Jochen von jenseits der Couch, aber so leise, dass nur Stella ihn hören konnte. »Kennst du das?«, fragte sie Luis. Ihr Französisch war gerade gut genug, um zu erkennen, dass es um eine Femme fatale im Wirbelsturm des Lebens ging, in dem man sich trifft, wieder aus den Augen verliert, sich wiedertrifft, sich wieder füreinander erwärmt und wieder getrennte Wege geht. Eines Abends habe ich sie wiedergesehen, oh là, là, und sie ist in meine Arme zurückgekehrt.
» Le tourbillon de la vie aus ›Jules et Jim‹«, flüsterte Luis. Katharina sang wirklich anrührend. Als Femme fatale im Wirbelsturm des Lebens, so sah sie sich wohl. Am Ende klatschten alle. Jochen am lautesten. Und Kleemann pfiff auf zwei Fingern.
10
»›Jules et Jim‹«, rief Stella gegen den Wind Luis auf der Rückbank zu. »Kannst du dich an den Film erinnern? Er müsste doch aus deiner Zeit sein.« Die vielen Kurven erforderten ihre ganze Aufmerksamkeit am Steuer des Cabrios. »Quatsch«, rief Irma vom Beifahrersitz aus, ihr seidenes Hermès-Kopftuch mit Pferdetrensen-Muster flatterte im Wind. »Luis ist doch viel zu jung. ›Jules et Jim‹ gehört zu meiner Generation. Ich habe ihn in den 60er-Jahren im Kino gesehen. Truffaut. Wunderbar.« Wenn
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