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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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mit präzisen, lebhaften Bewegungen. Ein zerknautschtes, schmieriges Taschentuch, das ihm aus der Brusttasche hängt, stört jedoch den schmucken, eleganten Effekt der taillierten, weißen Uniform. Seltsamerweise kommt er direkt auf Selig zu. »Die Röntgenaufnahmen zeigen keinerlei Frakturen«, erklärt er ohne Einleitung mit energischer, aber flacher Stimme. »Ihre einzigen Verletzungen sind Abschürfungen, Prellungen, Platzwunden und eine unbedeutende Gehirnerschütterung. Sie können sofort entlassen werden. Bitte, stehen Sie auf.«
    »Augenblick mal«, wehrt Selig sich schwach, »ich bin gerade erst zu mir gekommen. Ich weiß überhaupt nicht, was eigentlich los ist. Wer hat mich hergebracht? Seit wann bin ich bewußtlos? Was…«
    »Darüber weiß ich leider nichts. Man ist mit Ihrer Entlassung einverstanden, und das Krankenhaus braucht Ihr Bett. Also, bitte, stehen Sie auf. Ich habe sehr viel zu tun.«
    »Gehirnerschütterung? Sollte ich da nicht wenigstens über Nacht hierbleiben? Welcher Tag ist heute?«
    »Sie wurden heute mittag hier eingeliefert«, sagte der Arzt, immer unruhiger werdend. »Sie wurden in der Unfallstation behandelt und sehr gründlich untersucht, nachdem Sie auf der Treppe der Low Library zusammengeschlagen worden waren.« Abermals der Befehl zum Aufstehen, stumm diesmal, lediglich ein gebieterischer Blick und ein kommandierend ausgestreckter Zeigefinger. Selig sondiert die Gedanken des Arztes und findet sie zugänglich, aber er stößt auf nichts weiter als Ungeduld und Verärgerung. Mühsam klettert Selig aus dem Bett. Er hat das Gefühl, als würde sein Körper von Drähten zusammengehalten. Seine Knochen knirschen und krachen. Noch immer glaubt er, in seiner Brust die spitzen Bruchstellen geknackter Rippen zu spüren; können die Röntgenbilder nicht trügen? Er will sich erkundigen, aber zu spät. Der Arzt ist auf seiner Runde bereits zum nächsten Bett weitergegangen.
    Man bringt seine Kleider. Er zieht den Vorhang um sein Bett zu und kleidet sich an. Ja, Blutflecken auf dem Hemd, genau wie er es befürchtet hat; auf der Hose ebenfalls. Mist! Er kontrolliert seine Habseligkeiten: alles da, Brieftasche, Armbanduhr, Taschenkamm. Was nun? Einfach hinausgehen? Muß er nichts unterschreiben? Unsicher schiebt sich Selig zur Tür. Tatsächlich erreicht er den Korridor, ohne daß ihn jemand bemerkt. Dann steht plötzlich der Arzt vor ihm, als habe er sich aus Ektoplasma materialisiert, und deutet auf eine andere Tür schräg gegenüber. »Warten Sie da, bis der Sicherheitsbeamte kommt«, befiehlt er. Ein Sicherheitsbeamter? Was für ein Sicherheitsbeamter?
    Es sind, wie er befürchtet hatte, natürlich doch Papiere zu unterzeichnen, bevor er aus den Fängen des Krankenhauses entlassen wird. Als er mit diesem Amtskram fertig ist, betritt ein dicker, graugesichtiger, etwa sechzigjähriger Mann in der Uniform der Campuspolizei das Zimmer, keucht hörbar und fragt: »Sind Sie Selig?«
    Selig bestätigt es.
    »Der Dekan möchte Sie sprechen. Können Sie gehen, oder soll ich Ihnen einen Rollstuhl holen?«
    »Ich kann gehen«, antwortete Selig.
    Gemeinsam verlassen sie das Krankenhaus, gegen die Amsterdam Avenue bis zum Campustor an der 115th Street entlang und betreten Van Am Quad. Der Sicherheitsbeamte hält sich dicht hinter ihm, sagt kein Wort. Kurz darauf wartet Selig vor dem Büro des Dekans des Columbia College. Der Sicherheitsbeamte wartet, gelassen die Arme verschränkt, neben ihm, in einen Kokon der Langeweile eingesponnen. Selig hat fast das Gefühl, unter Arrest zu stehen. Warum? Seltsamer Gedanke. Was hat er von dem Dekan zu fürchten? Er sondiert den dumpfen Geist des Sicherheitsbeamten, findet aber nur dahintreibende Nebelfetzen. Er überlegt, wer jetzt wohl Dekan ist. An die Dekane seiner eigenen Collegezeit erinnert er sich noch gut: Lawrence Chamberlain mit den schicken Fliegen am obersten Kragenknopf und dem freundlichen Lächeln war College-Dekan und Dean McKnight, Nicholas McD. McKnight, ein Fraternity-Enthusiast (Sigma Chi?) mit einem steifen, dem neunzehnten Jahrhundert entstammenden Wesen, war der Studenten-Dekan. Aber das war vor zwanzig Jahren. Chamberlain und McKnight müssen inzwischen mehrere Nachfolger gehabt haben, von denen er jedoch nichts weiß; er hat nie viel Interesse für Nachrichten aus Ehemaligen-Kreisen gehabt.
    Eine Stimme drinnen sagte: »Dean Cushing läßt ihn jetzt hereinbitten.«
     »Gehn Sie rein«, fordert ihn der Sicherheitsbeamte auf. Cushing?

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