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Es stirbt in mir

Es stirbt in mir

Titel: Es stirbt in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Gedanken.
    - Kann sein, kann auch nicht sein.
    - Soll ich es dir beweisen?
    - Wie willst du das anstellen?
    - Paß auf.
    Ohne seine Rolle als Gastgeber eine Sekunde zu unterbrechen, drang er in deinen Geist ein, während der meine noch mit dem seinen verbunden war. Und so konnte ich, durch ihn, zum erstenmal einen Blick in dein Innerstes tun, Kitty. Oh! Das hatte ich nicht sehen wollen. Ich sah mich über seinen Geist durch deine Augen. Körperlich sah ich eigentlich besser aus, als ich es mir vorgestellt hatte, meine Schultern breiter als sie wirklich sind, mein Gesicht schmaler, meine Züge regelmäßiger. Daß du auf meinen Körper reagierst, war nicht zu leugnen. Aber die emotionalen Assoziationen! Du sahst mich als strengen Vater, als grimmigen Schulmeister, als dräuenden Tyrannen. »Lies dies, lies das, entwickele deinen Geist, Mädchen!« Lerne, damit du meiner würdig wirst! Oh! Oh! Und diese flammende Empörung über unsere ESP-Experimente: mehr als sinnlos in deinen Augen, etwas überwältigend Langweiliges, ein Ausflug in den Wahnsinn, eine ermüdende, zermürbende Qual. Sich Nacht für Nacht von diesem Monomanen, von diesem Besessenen schurigeln zu lassen. Bis selbst unser Geschlechtsverkehr von diesem irrwitzigen Trieb zum geistigen Kontakt beherrscht wurde. Wie unendlich satt du mich hattest, Kitty! Wie unendlich langweilig du mich fandest!
    Ein Sekundenbruchteil dieser Erkenntnis war mehr als genug für mich. Pikiert zog ich mich schleunigst aus Nyquist zurück. Wenn ich mich recht erinnere, sahst du mich verwundert an, als wüßtest du im Unterbewußtsein, daß mentale Energien freigesetzt waren, die die intimsten Empfindungen deiner Seele aufdeckten. Du machtest die Augen auf und zu, deine Wangen wurden rot und du trankst hastig einen Schluck aus deinem Glas. Nyquist warf mir ein ironisches Lächeln zu. Ich konnte seinem Blick nicht begegnen. Aber ich wollte das, was er mir gezeigt hatte, nicht akzeptieren. Hatte ich bei derartigen Übertragungen nicht auch vorher schon Verzerrungen erlebt? Mußte ich seiner Wiedergabe des Bildes, das du dir von mir machtest, nicht mißtrauen? War es nicht doch möglich, daß er es verfälschte? Vergröberte und verfärbte? Habe ich dich wirklich so gequält, Kitty, oder übertrieb er aus Spaß und machte aus leichter Verärgerung intensiven Abscheu? Ich möchte gern glauben, daß ich dich nicht ganz so sehr gelangweilt habe. Neigen wir ja doch immer dazu, die Ereignisse so zu interpretieren, wie wir sie interpretieren möchten. Aber ich schwor damals, dir in Zukunft nicht mehr so zuzusetzen.
    Lange nachdem wir gegessen hatten, sah ich, wie du dich in der anderen Zimmerecke angeregt mit Nyquist unterhieltst. Du gabst dich kokett und ein bißchen nervös – genauso, wie du dich am ersten Tag im Maklerbüro mir gegenüber verhalten hattest. Ich konnte mir vorstellen, daß ihr beiden über mich spracht, und das keineswegs positiv. Über Nyquist versuchte ich einiges von dem Gespräch aufzuschnappen, aber sobald er spürte, daß ich sondierte, funkelte er mich wütend an.
    - Verschwinde! Raus aus meinem Kopf, verstanden?
    Ich gehorchte. Ich hörte dich lachen, viel zu laut, so daß es trotz des Stimmengewirrs zu vernehmen war. Dann schlenderte ich weiter und unterhielt mich ein bißchen mit einer zierlichen japanischen Bildhauerin, deren tief ausgeschnittenes, glattes, schwarzes Kleid einen absolut unattraktiven, flachen Busen verbarg, und stellte fest, daß sie auf Französisch dachte, wie gern sie es hätte, wenn ich sie bäte, sie nach Hause bringen zu dürfen. Aber ich bin mit dir nach Hause gegangen, Kitty. Ich habe stumm und bitter neben dir im leeren Subwaywagen gesessen, und als ich dich fragte, worüber du mit Nyquist gesprochen hättest, antwortetest du mir: »Wir haben nur so ein bißchen herumgealbert. Einfach aus Spaß.«
    Ungefähr zwei Wochen später, an einem klaren, frischen Herbstnachmittag, wurde in Dallas Präsident Kennedy erschossen. Die Börse schloß nach einem katastrophalen Rutsch, und auch Martinson machte sein Büro zu, schickte mich, noch ganz benommen, auf die Straße. Es war nicht leicht für mich, die Realität der fortschreitenden Ereignisse zu akzeptieren. Man hat auf den Präsidenten geschossen… Man hat den Präsidenten erschossen… Man hat den Präsidenten in den Kopf geschossen… Der Präsident ist lebensgefährlich verletzt… Der Präsident wurde sofort ins Parkland Hospital gebracht… Der Präsident hat die letzte Ölung

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