Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
sichtlich Probleme sich zu erinnern, wer das sein könnte. »Du meinst Lottie? Die liebe kleine Lottie?«
»Ja, Euer Majestät!«, brüllte der Diener. »Sie wurde gefunden!«
»Und diese Leute haben sie entdeckt?« Die Runzeln des Königs ordneten sich zu etwas um, das früher ein Lächeln hätte sein können. »Dann sollten wir sie großzügig entlohnen.«
Der Obristwachtmeister war entrüstet. »Mein Gebieter!«
Der Diener versuchte es noch einmal. »Nein, Majestät, diese Bauern haben Charlotte fortgeholt!«
»Was hast du gesagt?«
Eine Spur Verzweiflung schlug sich in der Stimme der Hofcharge nieder. »Entführt! Verschleppt! Geraubt!«, schrie er.
»Nein, nein«, sagte der König, noch immer lächelnd. »Lottie wurde gefunden. Es ist alles in Ordnung, Klaus«, sagte er und deutete auf Gretel und Bauer Bruder. »Diese guten Leute haben mein kleines Mädchen gefunden und zu mir nach Hause gebracht. Stimmt es nicht, Obristwachtmeister?«
Der Obristwachtmeister sah ganz so aus, als wollte er in Tränen ausbrechen.
In diesem Moment öffneten sich die großen Türen erneut, und ein Gestöber weiblicher Wesen fegte in den Saal. Prinzessin Charlotte war an der Spitze der kleinen Truppe. Gretel fiel auf, dass die Giftnudel Zeit gefunden hatte, in etwas zu schlüpfen, das elegant und schlicht zugleich war, vermutlich von Squelchy und Sultana, umgeben von einer Duftwolke, vermutlich Schrapnell No. 5. Und sie war sich einer wachsenden Ablehnung gegenüber dem Mädchen bewusst, die rasch zu einem voll ausgewachsenen Hass erblühte.
»Papa!« Charlotte eilte nach vorn, um ihren Vater zu küssen. Ihre beiden Schwestern, ihre Mutter und eine Kollektion Kammerzofen huschten mit raschelnden und rauschenden Röcken hinter ihr her. »Oh, Papa! Ich hatte ja solche Angst! Angst um mein Leben!«
»Aber, aber, mein Kind!« König Julian tätschelte ihre Hand mit dem ganzen Gewicht eines Schmetterlings in ihrer Handfläche. »Jetzt bist du in Sicherheit. Zu Hause bei deinem Papa.«
Die Prinzessin musterte Gretel und Bauer Bruder, als hätte sie die beiden gerade erst bemerkt, und kreischte: »Oh! Diese schrecklichen Schurken!«
Gretel riskierte es, den Mund aufzumachen. »Und schon fängt sie wieder von ›schrecklich‹ an. Ich muss wirklich protestieren.«
Der Obristwachtmeister stürzte sich auf die Gelegenheit,seinem Ärger Luft zu machen. Genauer, er stürzte sich auf Gretel.
»Im Namen König Julians, schweig still!«, beharrte er und drückte sie erneut zu Boden, dass ihre Nase schmerzhaft auf einem kirschroten Marmorquadrat zur Seite glitt. Gretel wusste nicht recht, ob die Farbe oder der Druck dafür verantwortlich war, dass ihr Tränen in die Augen traten.
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden entführt!«
Allmählich begriff sogar der König.
»Diese Leute, Lottie? Das sind die, die dich entführt haben?«
»Oh, Papa! Es ängstigt mich schon, sie nur anzusehen.«
Gretel konnte sich kaum vorstellen, wie ein mit Pisse getränkter Bauer und eine fette Frau mit dem Fuß eines Soldaten im Rücken jemandem Angst einjagen konnten, umso weniger diesem entschlossenen, verlogenen Adelsspross, der offensichtlich keine Skrupel kannte.
Der König stemmte sich auf die Beine, was gleich mehrere seiner Hofchargen veranlasste, ihm zur Seite zu eilen, um ihn zu stützen. Aus ihrer einzigartigen Perspektive konnte Gretel sehen, dass Julians Füße gar nicht den Boden berührten.
»Ab mit ihren Köpfen!«, kommandierte er. »Schlagt sie in Eisen! Werft sie den Löwen vor. Hängen, Ausweiden, Vierteilen! Stecht ihnen die Augen mit Drachenzähnen aus! Verbrennt sie bei lebendigem Leibe!«
Die Stimmung des Obristwachtmeisters hob sich erkennbar. »Vergebt mir, mein König«, donnerte er, »aber was wünscht Ihr, das wir zuerst tun?«
Nun war Julian in seinem Element.
»Kocht sie in Öl! Spannt sie auf die Streckbank! LasstBussarde ihre Eingeweide fressen! Reißt ihnen die Ohren mit Salatzangen ab!«
Die Königin griff ein und legte ihrem Gatten eine Hand auf den Arm.
»Herzliebchen, ein kleines Schläfchen würde dir guttun, denke ich. Und vielleicht deine Medizin?« Sie nickte den Hofchargen zu, die ihren tobenden königlichen Herrn vorsichtig davontrugen.
Einer der Diener – der Mann, der besser aussah, als nach Gretels Meinung irgendeine Person das Recht haben sollte, auszusehen – hielt inne, um mit dem Obristwachtmeister zu sprechen.
»Schafft sie in den Kerker«, sagte er, »und wartet auf
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