Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Brackston
Vom Netzwerk:
wird auf einer Ziege durch die Stadt geführt, rücklings oder nicht«, hatte Hänsel ihr ein wenig gereizt versichert. »Die Zeremonie ist würdevoll! Wir feiern eine feine Stadt, ein feines Bier und einen feinen   … feinen   …« Er suchte nach dem passenden Begriff, um sich selbst angemessen darzustellen.
    Gretel wartete, die Arme vor der Brust verschränkt, die Brauen hochgezogen.
    »Einen feinen trinkfesten Herrn aus der Gegend!«, schloss Hänsel, sichtlich zufrieden mit seiner Definition.
    Gretel hatte den Mund zu einem Widerspruch aufgeklappt, doch wozu? Offensichtlich hatte Hänsel keinerlei Erinnerung an frühere Starkbierfeste. Was nicht überraschend war. Immerhin bestand der Sinn des Anstechens besagten Fasses darin, seinen Inhalt zu leeren. Und wenn die feinen Bürger von Gesternstadt den Tag damit verbrachten, das berühmte Starkbier literweise in sich hineinzuschütten, konnte sich anschließend kaum einer an irgendwas erinnern, das über den Fassanstich hinausging. Gretel hatte es von jeher vorgezogen, sich von dieser Festivität fernzuhalten und die anderen machen zu lassen, sodass sie am Tag darauf eine segensreich selbstgefällige, katerfreie Haltung einnehmen konnte. Normalerweise.Aber in Anbetracht der fragwürdigen Ehre, die ihrem Bruder zuteilgeworden war, und dem Umstand, dass er die Du-bist-meine-einzige-lebende-Verwandte- und Außer-dir-interessiert-keinen-auf-der-Welt-ob-ich-lebe-oder-sterbe-Karte ausgespielt hatte und vermutlich auch aufgrund des besonders guten Essens, zubereitet in erster Linie, um sie milde zu stimmen, hatte Gretel eingewilligt, das vermaledeite Fest zu besuchen.
    Gerade als sie sich mit der vermutlich einzig angenehmen Angelegenheit des Tages befasste   – der Auswahl ihrer Garderobe   – hüpfte Hänsel in ihr Schlafzimmer wie ein Welpe. Ein ziemlich großer Welpe. Ein extrem fetter Welpe. Ein Welpe, der in einem derart erschreckenden, trachtenanzugähnlichen Ensemble steckte, wie Gretel es seit langer Zeit nicht gesehen hatte. Eigentlich noch nie.
    »Und?« Schwabbelnd und wabbelnd stampfte Hänsel in seiner ganzen prallen Hässlichkeit vor ihr im Kreis herum, die Hände in die Hüften gestemmt. »Was meinst du?«
    »Bemerkenswert«, sagte Gretel, ohne ihm zu verraten, ob sie damit bemerkenswert schön oder bemerkenswert hässlich meinte. Schließlich war er ihr Bruder.
    »Nicht wahr? Den Hut habe ich von einem Mann namens Schnell im Gasthaus. Hab ihn beim Siebzehnundvier gewonnen. Schlechter Verlierer, soweit ich mich erinnere. Andererseits kann man’s verstehen. So einen Hut zu verlieren   …«
    »In der Tat.«
    »Und die Hose passt hervorragend, siehst du? Ich habe Frau Pfinkle gebeten, sie für mich herauszulassen. Aber nur ein klitzekleines bisschen.«
    Mit seiner Tracht war Hänsel wirklich aufs Ganze gegangen. Er hatte nichts übersehen. Von den leise knarzenden Lederhosen samt Charivari bis hin zu dem grünen Hut mit dem obligatorischen Gamsbart kündete jedes Detail von bajuwarischer Hingabe an Tradition und Lebenslust. Und, bei Gott, heute würde jeder Mann, jede Frau und jedes Kind sich vergnügen, und wenn es das Letzte war, was er, sie oder es tat. Zum Glück lag der einzige registrierte Todesfall beim Starkbierfest schon einige Generationen zurück. Seinerzeit war das leere Fass die Überstraße hinuntergerollt und über einen bierselig schnarchenden Pensionär gewalzt, der gar nicht mehr gemerkt hatte, was ihm da zugestoßen war.
    »Beeil dich lieber, Schwesterherz. Ich möchte nicht zu spät kommen. Hast du dein Dirndl schon herausgesucht?«
    »Jetzt hör mal zu, Hänsel. Ich habe mich einverstanden erklärt, zum Fest zu gehen. Ich habe mich einverstanden erklärt, beim ruhmreichen Augenblick des Fassanstechens an deiner Seite zu sein. Aber auf keinen Fall, ich wiederhole, auf keinen Fall werde ich mich im Dirndl blicken lassen, nicht einmal dir zuliebe.« Als sie sah, dass seine Unterlippe zu beben anfing, hob sie eine Hand. »Nein«, warnte sie ihn. »Tu’s nicht.«
    Hänsel kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, wann er aufgeben sollte, also machte er kehrt und murmelte etwas davon, dass wenigstens er pünktlich sein werde und sich ein bisschen Mühe gegeben habe.
    Gretel knirschte mit den Zähnen und stürzte sich auf ihren Kleiderschrank. Ihr Auge fiel auf den tröstlichen Samt ihrer schmeichelhaftesten Maßanfertigung. Was so viel bedeutete wie raumgreifend geschnitten. Der Schöpfer der Kreation hatte sich der Mode, die

Weitere Kostenlose Bücher