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Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)

Titel: Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Brackston
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Leute ihre persönlichen Dämonen.
    Mit einem Seufzer erkannte Gretel, dass ihr glückstrahlender Bruder seine Position unter der Statue des Großherzogs von Mittenwald einnahm. Das riesige Fass war bereits an seinen Platz gebracht worden, und eine begierige Menge drängte sich darum. Für einen flüchtigen Moment beneidete Gretel ihren Bruder. Beneidete ihn um seine Fähigkeit, solch schlichte, oberflächliche Vergnügungen, wie sie hier geboten wurden, wirklich zu genießen. All die Rätsel und Fragen, Gefahren und Herausforderungen, mit denen zu befassen Gretel sich stets verpflichtet fühlte, waren ihrem Bruder gleich. Es war ein schöner Tag, Hänsel war umgeben von schönen Menschen, und bis zur Mittagszeit würde er schön betrunken sein. Die Beste aller denkbaren Welten. Kein Grund, das Leben einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.
    Der Mann von der Brauerei hielt eine begeisternde Rede, in der er die Tugenden des dämonisch starken Fastenbiershervorhob, das in dem Fass auf die durstigen Kehlen wartete. Damit rannte er natürlich offene Türen ein, aus denen ihm bei jeder Atempause lauter Beifall entgegenschlug. Er erklärte den Leuten, die Qualität des Gesternstadt Debilitator   – so der Name der Bieres in Anlehnung an das ursprüngliche Salvator, das die Mönche vor Jahrhunderten gebraut hatten   – sei im Vergleich zum Bier des vergangenen Jahren, dem Gesternstadt Alkoholator, noch verbessert worden. Ein herzhaftes Gebrüll begrüßte diese Kundgabe.
    Dann wurde Hänsel vorgestellt. Allerdings konnte Gretel in dem allgemeinen Lärm nicht verstehen, ob er als ein »feiner, trinkfester Herr aus der Gegend« angepriesen wurde. Er hob den Hammer hoch in die Luft, wartete mit bewundernswerter Selbstdarstellung auf das erwartungsvolle und verzückte Kreischen der Menge und führte dann einen flinken Schlag an genau die Stelle, die er treffen musste, um das Fass zu öffnen.
    Als die Stadt die Biergabe mit kollektivem Geschrei willkommen hieß und die Kapelle zu einer passenden humptabasierten Melodei aufspielte, erhaschte Gretel flüchtig einen Blick auf eine vertraute Gestalt auf der anderen Seite des Platzes. Auf Anhieb erkannte sie den gut aussehenden Vertrauten Seiner Majestät, der Zeuge der Demütigung geworden war, die sie im Sommerschloss hatte erdulden müssen. Eben der, dem die Pflicht zugekommen war, sie in den Kerker zu schicken. Der ihr einen bedeutsamen Blick zugeworfen hatte, kurz bevor sie abgeführt und eingesperrt worden war, da war sie ziemlich sicher. Heute trug er eine scharlachrote Uniform mit gerade der richtigen Menge an Goldborten und auf Hochglanz polierten Waffen. Gretel glaubte, nie zuvor jemanden so Schönen gesehen zu haben, zumal in Uniform.
    Sie ließ den Blick schweifen, konnte aber keine weiblicheBegleitung ausmachen. Vielleicht hatte man ihn beauftragt, in der einen oder anderen offiziellen Funktion zu erscheinen. Aber vielleicht hatte man ihn auch geschickt, sie zu suchen, ein Gedanke, der sie einerseits in Panik versetzte, ihr andererseits ein wenig Befriedigung vermittelte. Widerstreitende Gedanken und Gefühle rauften in ihrem Innern um die Vorherrschaft. Ein Teil von ihr (der Teil, der in allererster Linie Frau war) wollte sich einen Weg durch die Menge bahnen, um ein zufälliges Zusammentreffen einzufädeln. Der Rest (der Teil von ihr, der vorwiegend darauf bedacht war, ihren Hals aus der Schlinge zu halten und ihr die Freiheit zu bewahren) wollte die Röcke raffen und in die Gegenrichtung davonlaufen.
    Das Schicksal intervenierte in Gestalt von Feldobergendarm Strudel und nahm Gretel die Entscheidung ab.
    »Fräulein Gretel«, sagte Strudel und entbot ihr eine steife Verbeugung. »Ich bin überrascht, dass du an den Wonnen des Starkbierfests teilhaben willst.«
    Gretel hätte einige Zeit damit zubringen können, eine zufriedenstellende Definition von »Wonnen« aus Strudel herauszupressen, doch sie ärgerte sich zu sehr darüber, dass ihr der Blick auf den hübschen Soldaten nun durch die öde Visage des Feldobergendarms versperrt wurde.
    »Bis zum Teilhaben wollte ich es nicht treiben«, erklärte sie ihm und deutete mit einem Nicken auf den übersprudelnden Maßkrug in seiner Hand. »Das Zeug ist gefährlich.«
    »Ach, nun komm schon, Fräulein. Wo bleibt dein Abenteuersinn?« Strudel tauchte den Schnabel in die schaumige Krone.
    Mit zunehmender Schadenfreude erkannte Gretel, dass der Mann bereits angesäuselt war. Sie hatte Strudel noch nie betrunken erlebt

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