Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
Wangen des Gendarmen, der mit der Untersuchung des Falles betraut worden war, vor Aufregung zu röten, und nur Gretels Talent, andere Leute durch ihr Selbstvertrauen und ihren scharfen Verstand mürbe zu machen, hatte ihn davon abgehalten, Gretel und Hänsel des Mordes zu beschuldigen. Während die Waffe in der Tat ein belastender Beweis gegen Gretel war und man darüber streiten konnte, ob sie eine Gelegenheit gehabt hatte, die Tat zu begehen, fehlte dem Gendarmen mit dem Motiv ein wichtiges Element zur Aufklärung des Mordes. Widerstrebend musste er einsehen, dass er keinen Grund hatte, seine Hauptverdächtigen festzuhalten, und er war nicht schlau genug gewesen, sie anzuweisen, das Hotel nicht zu verlassen. Gretel wusste, es war nur eine Frage der Zeit, bis der Gendarm seinen Fehler korrigieren würde, weshalb sie es eilig gehabt hatte, Bad am See bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu verlassen.
Warum jemand sich die Mühe machen sollte, diesen aufgeblasenen Geschäftsmann umzubringen, entzog sich ihrem Verständnis. Gewiss, er war lästig gewesen, aber das waren viele andere Leute auch, und wie unfair es auch erscheinen mochte, das war kein ausreichender Grund, sie ins Jenseits zu befördern. Herr Bechstein musste irgendetwas getan haben, das irgendjemanden ernsthaft gegen ihn aufgebracht hatte – und wer immer dieser Jemand war, er hatte Gretels Messer an sich gebracht und benutzt. Aber wer war es? Der Platz war in dieser Nacht verlassen gewesen, abgesehen von den Petersons, und in den beiden konnte Gretel keine Mörder erkennen. Und warum war Bechstein allem Anschein nach auf dem Weg zu ihrem Zimmer gewesen? Wie war es möglich, dass eine gesetzestreue Untertanin wie sie gleich zweimal in ebensovielen Wochen eines Kapitalverbrechens beschuldigt wurde? Und woher um alles in der Welt sollte sie nun einen Finger bekommen? Hinzu kam, dass ihr letztes Geld verbraucht war, ohne dass sie im Fall der Katzenentführung erwähnenswerte Fortschritte gemacht hätte, die sie Frau Hapsburg vorweisen könnte.
Trotzdem, überlegte Gretel, konnte sie mit Fug und Recht einen Ausgleich für einen Teil der Ausgaben verlangen, die ihr entstanden waren. Vielleicht wusste die dumme Frau ihre Bemühungen sogar zu schätzen. Immerhin hatte sie die Alte Schrulle aufgesucht, war einem Kerker entkommen, hatte mit einem Löwen gerungen, war etliche Wegstunden gereist, hatte sich mit einem liebestollen Troll herumgeschlagen und war vor dem Gesetz geflohen – das alles musste doch irgendeine Form der Entschädigung rechtfertigen.
In der Kirschbaumallee ließ Gretel sich von dem Händler absetzen. Dringende Angelegenheiten, namentlich ihre Finanzen, forderten ihre Aufmerksamkeit. Frau Hapsburg würde sie eben nehmen müssen, wie sie gerade war, samt dem Staub von der Reise, der sie von Kopf bis Fuß umhüllte.
Gretel traf ihre Auftraggeberin in ihrem Vorgarten, wo sie eifrig mit der Pflege ihrer Rosen beschäftigt war. Ihre Laune hob sich bei dem Gedanken, das Gespräch draußen führen zu können und nicht in das von Katzen beherrschte, flohverseuchte Haus zu müssen. Sie trat durch die Tür im Lattenzaun und ging den schmalen, mit Steinen ausgelegten Weg entlang. Geschmeidige Kreaturen huschten vor ihr davon oder tauchten unter Sträucher ab, während sie voranschritt. Hier und da badete eine Katze im Sonnenschein des zu Ende gehenden Tages. Andere Tiere lagen in Blumenkästen und auf der eisernen Bank, die auf dem Rasen stand.
»Guten Tag, Frau Hapsburg«, rief Gretel.
»Oh! Fräulein Gretel. Hast du sie gefunden? Meine armen Kleinen – hast du sie gerettet?« Sie sprang auf, die Pflanzschaufel hoch erhoben, einen derart herzerweichenden Ausdruck auf dem Gesicht, dass sogar Gretel sich ihm nicht entziehen konnte.
»Leider noch nicht«, gestand sie. »Aber«, sprach sie hastig weiter, um einem Heulkrampf zuvorzukommen, zu denen die ältliche Dame zu neigen schien, »ich habe Neuigkeiten. Wir dürfen Mut schöpfen, Frau Hapsburg.«
»Dann weißt du, wer sie hat?«
»Nicht ganz.«
»Aber du weißt, wo sie sind.«
»Nicht genau.«
»Aber du hast zumindest gehört, dass es ihnen gut geht.«
»Nicht ausdrücklich.«
Die arme Frau wankte hin und her und ließ die Schaufel sinken. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Wenn das so ist«, sagte sie, »kann ich nicht erkennen, inwiefern deine Neuigkeiten von Bedeutung sein könnten.«
Gretel trat vor, erpicht darauf, die Frau zu beruhigen, aber ein besonders
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