Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
Ausdruck schuf, die ihr wirres Haar veranlasste, sich noch weiter aufzuplustern. Wenn sie recht hatte und er wirklich an ihr interessiert war, würde er zu gaffen aufhören und etwas unternehmen, um sie aus diesem Schlamassel herauszuholen. Dennoch konnte sie sich nicht verkneifen, den stilleren Soldaten nach der Identität des Mannes zu fragen.
»Das ist General Ferdinand von Ferdinand«, erklärte er ihr, und in seiner Stimme schwang Bewunderung mit. »Er ist der erfolgreichste unserer Generäle und ein Vetter ersten Grades der Königin Beatrix.«
Der Name Ferdinand gefiel Gretel, doch zeigte er auch einen gewissen Mangel an Fantasie seitens seiner Mutter.
Ferdinand, dachte sie versonnen. Dann, verträumt: Ferdl. Dann, wütend: Hör auf, du albernes Weib.
Gleich darauf wurde ihre Aufmerksamkeit auf unangenehmere Dinge gelenkt, als sie sich in einer großen, extrem gut ausgestatteten und rundum entsetzlichen Folterkammer wiederfand.
Ein stattlicher Mann in Lederweste und -hose, die Arme voller Tätowierungen, trat aus dem Schatten und streckte die Hand aus.
»Schmerz der Name«, sagte er. »Pein das Metier! Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen.«
Gretel ertappte sich dabei, ihm die Hand zu schütteln. Die Soldaten blickten derweil ziemlich bang aus der Wäsche.
»Keine Sorge, es gibt nichts zu fürchten. Ich bin überzeugt, unsere jüngste Angeklagte hier wurde bereits angewiesen, nicht die Hand zu beißen, die sie foltert. Haha!« Er lachte brüllend über seinen eigenen Witz.
Gretel war wie vor den Kopf geschlagen. Wo sie sich befand, stand außer Frage, ebenso wie der Lebenszweck dieses Mannes. Sie stand in einer Folterkammer und schüttelte dem Mann die Hand, dessen Aufgabe es sein würde, sie zu peinigen. Sein Körperbau passte zum Bild – die polierten Muskeln, der drohend rasierte Schädel, die gewaltverherrlichende Körperbemalung – aber das Auftreten des Herrn Schmerz schien zu einem ganz anderen Menschen zu gehören. Sogar sein Gelächter hörte sich wirklich fröhlich an, ganz so, dass man von Herzen mit einstimmen, mit ihm lachen wollte. Gretel überlegte, ob es sich womöglich um eine neue psychologische List handelte, um die Entschlossenheit des jeweiligen Opfers aufzuweichen. Nötig schien das kaum zu sein. Sie jedenfalls musste sich nur all die furchtbaren Instrumente der Qualenansehen, die den ganzen Raum füllten, um deutlich zu spüren, wie sich ihre Entschlossenheit zur Gänze auflöste.
»Lass dich von mir geleiten, liebes Kind, und genieß die Führung. Es kostet nichts extra. Sehen wir der Sache ins Auge. Die gegen dich vorgebrachte Beschuldigung ist so oder so schon schlimm genug, harhar! Genau, fangen wir gleich hier mit der guten alten Sissi Streck an. Ein bisschen aus der Mode gekommen, ein bisschen letztes Jahrhundert, aber verlässlich.« Liebevoll tätschelte er die Streckbank. »Liefert immer gute Ergebnisse, die alte Sissi. Und hier …« Er tat einen oder zwei Schritte. »Hier haben wir etwas ganz Besonderes. Oh ja. Hab es erst im letzten Monat in Empfang genommen. Freue mich schon sehr darauf, es auszuprobieren, das kann ich dir sagen.« Er hielt inne und musterte Gretel stirnrunzelnd, als wollte er herausfinden, ob sie die passende Kandidatin für die Maschine war.
Sie fühlte sich verpflichtet, die Frage zu stellen, die auf der Hand lag. »Was tut sie?«
»Ah, wie schön, dass du fragst. Du hebst diese Eisenstange hoch, und die Delinquentin, das bist du, legt sich darunter, siehst du?« Während er ihr die Funktion erklärte, deutete er auf das Wie und Wo.
Gretel nickte, außerstande, sich dieser überwältigenden Begeisterung zu entziehen.
»Dann legt der Bediener, das bin ich, die Stange zurück, so. Und jetzt kommt die Körperplatte zum Einsatz, die mit über hundert Nägeln besetzt ist – gehärteter Stahl, sieh dir das an, eine wundervolle Handwerksarbeit. Die Platte wird auf die Delinquentin abgesenkt. Und wer mag das diesmal sein? Na?« Er wartete.
»Ich?«, fragte ein schwaches Stimmchen, das Gretel kaum als ihr eigenes erkannte.
»Richtig! Kapiert schnell, das Madel«, sagte er zu den Soldaten. »Nicht faul. Na ja, im Moment. Später wird’s schon noch faulen. Haha! Wie auch immer, wo war ich? Ach, ja, die Platte wird auf den Körper der Delinquentin abgesenkt und mit Hilfe dieser beiden Schrauben hier und hier gespannt. Siehst du? Verstehst du, wie das funktioniert?« Er richtete sich zu voller Größe auf und nickte langsam. »Das
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