Es war einmal ein Mord: Ein Hänsel und Gretel-Krimi (German Edition)
danke.«
»Jawoll.« Er wühlte in seiner Tasche nach einem Bonbon und warf es sich virtuos in den Mund. »Dann legen wir mal los, einverstanden?« Er legte eine Hand an den Holzhebel, der dazu diente, das große Zahnrad zu drehen. Mit jedem Zahn würden die Eichenbalken, an denen Gretel säuberlich vertäut war, weiter auseinandergezogen werden.
Gretel öffnete den Mund und stieß einen Schrei aus, so schrill und laut, dass Schmerz sein Bonbon ausspuckte.
»Ich habe noch gar nicht angefangen«, protestierte er.
»Oh, diese Qualen, diese fürchterlichen Qualen!«, kreischte Gretel.
»Aber ich habe noch gar nichts getan!«, rief Schmerz. »Sieh doch, der Hebel ist immer noch in der Ausgangsposition. Hat sich kein Stück bewegt.«
»Aaaaaah, diese Pein! Ich halte es nicht mehr aus! Das ist unerträglich! Ich gestehe!«
»Du … was?«
»Ich will gestehen.«
»Aber wir haben noch nicht mal angefangen! Ich hab noch gar nichts getan!«
Gretel hob den Kopf und maß ihn mit einem bohrenden Blick.
»Ich sage doch, ich habe genug. Ihr habt exzellente Arbeit geleistet, Herr Schmerz. Ich habe nicht die Kraft, mich noch weiter zu widersetzen.«
»Widersetzen? Wem?«
»Wärt Ihr so liebenswürdig, General Ferdinand von Ferdinand rufen zu lassen? Ihm gegenüber werde ich bereitwillig gestehen.«
»Ach, ich weiß nicht recht. Normalerweise hört er keine Geständnisse. Beim letzten Mal war es der Adjutant des Königs, davor unser alter Pfaffe, Pater Wagner.« Er schüttelte den Kopf. »General von Ferdinand ist immer sehr beschäftigt.«
»Herr Schmerz, Ihr seid ein Mann, der die Dinge gern richtig macht, das ist offensichtlich. Ich weiß, Ihr wollt euch nicht vorwerfen lassen müssen, dass eine wichtige Information in die falschen Hände geraten ist, weil Ihr meine Bitte abgelehnt habt. Das Geständnis, das ich zu machen habe, wird von enormem Interesse für Ihre Majestät, die Königin Beatrix sein. Seid so nett und setzt General von Ferdinand über diesen Umstand in Kenntnis, dann wird er Euch zweifellos dafür loben, dass Ihr so klug wart, damit zu ihm zu kommen.«
Schmerz kaute den Gedanken durch, als würde er sich durch ein besonders zähes Sahnebonbon arbeiten. Nach langem Schweigen zuckte er endlich mit den Schultern und schüttelte träge den Kopf.
»Also gut, wenn du es so haben willst.« Hilflos ließ er die Hände sinken, ein Mann, geschlagen und ernüchtert, derChance beraubt, das Einzige zu tun, worin er wirklich überragend war. »Ich schicke nach General von Ferdinand.«
»Eine kluge Entscheidung, Herr Schmerz. Ich bin gewiss, er wird beeindruckt sein von der raschen Wirkung und der Effizienz Eurer Fähigkeiten.«
Schmerz musterte Gretel aus zusammengekniffenen Augen, um herauszufinden, ob sie sich womöglich über ihn lustig machte. Für einen entsetzlichen Moment fürchtete Gretel, sie könnte ihre einzige Überlebenschance zunichtegemacht haben; dann aber zuckte Schmerz erneut mit den Schultern, seufzte und trottete von dannen, um den General zu holen.
Selbst zu dieser unversöhnlichen Tageszeit sah General Ferdinand von Ferdinand frisch und munter aus, wohlfrisiert und beinahe unanständig attraktiv. Er trug ein Samtcape von der Farbe gequetschter Pflaumen, das mit einem scharlachroten Futter protzte, und auf seinem Kopf thronte ein ganz bezaubernder Hut. Sein grau meliertes Haar, reizvoll lang und offen, fiel ihm über den Kragen. Gretel schätzte ihn auf über vierzig, aber jung geblieben. Er stand neben ihr und beschenkte sie mit einem herzerwärmenden Lächeln und dem Duft von Sandelholz.
»Guten Morgen, Fräulein Gretel. Herr Schmerz sagte mir, du willst nur mir gegenüber ein Geständnis ablegen. Ich fühle mich geehrt.«
Gretel sammelte die verbliebenen Fetzen ihrer Würde ein und bemühte sich, zugleich selbstbewusst und ein bisschen kokett zu klingen. Was eine große Herausforderung war. Sie war immer noch auf der Folterbank festgebunden und gab eine recht passable Imitation eines ausgestopften, riesigen Seesterns zum Besten. Ihr Haar hatte sich in eine verfilzte Masse verwandelt, die ihr in sämtlichen Richtungen vom Kopf abstand, während sie noch flach auf dem Rücken lag. Ihr schwarzer Seidenrock war hochgerutscht und gab den Blick auf die scheußlich faltigen Strümpfe frei, und dann war da noch die peinliche Feuchtigkeit, die sich von ihren Achselhöhlen her ausbreitete und verräterische Flecken in ihrer cremefarbenen Leinenbluse hinterließ. Sie versprach sich im
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