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Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Es wird schon nicht das Ende der Welt sein

Titel: Es wird schon nicht das Ende der Welt sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Lewis
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einer braunen Wolke auf Stelzen. Ich wünschte, er wäre größer gewesen und wir mit unserem Training schon weiter, sodass ich einfach mein Bein über seinen Höcker schwingen und mich von ihm meilenweit durch die Wüste tragen lassen könnte.
    Buzz rieb seinen Hals an mir. Es muss ihn gejuckt haben, aber er hätte mich fast umgeschmissen, so stark war er. Er wusste, wir würden unseren Spaziergang machen, und das regte ihn ein bisschen auf. Dieser Kälberpferch war vermutlich für ihn dasselbe, was die Schule für mich war. Ich warf ihm das Seil über und entriegelte das Tor. Er war ungeduldig, also redete ich ein ernstes Wort mit ihm. Ich zog sein Gesicht zu mir herum, damit er mich ansah, seine Augen waren groß und träge, als ob er das nicht hören wollte. Ich sagte ihm: »Buzz, ich habe einen schlechten Tag, fang also keinen Streit mit mir an.« Er machte ein kleines knurriges Geräusch und prustete mit den Lippen, die dabei schwabbelten wie Gummi. Dann stupste er mich mit dem Kopf, nicht doll, nur so, als ob er spielen wollte. Ich scheuchte ihn weg und ging weiter, aber er machte es wieder. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder ihm eins mit dem Stock überziehen sollte. Wir schauten uns an, und ohne irgendeinen Grund fing ich an zu rennen, mit ihm an meiner Seite, total schlaksig und ruckartig wackelte sein haariger Höcker vor und zurück, während sein Hals sich lang zog wie Grandpas Akkordeon.
    Wir waren ein schönes Stück weit gekommen, als ich anhalten und einen Zug aus meinem Inhalator nehmen musste. Buzz war zappelig, total aufgedreht und bereit für mehr. Sobald ich wieder zu Atem gekommen war, fingen wir wieder an zu rennen, aber dieses Mal, ich weiß auch nicht, warum, ließ ich das Seil los. Ich glaub, ich wollte sehen, ob ich ihm wirklich vertrauen konnte.
    Die Sonne brannte auf uns runter, als wir durch den Sand joggten, das pieksende Gras peitschte unsere Knie. Wie ein Pendel baumelte das Seil an seiner Seite herunter, gerade noch in meiner Reichweite. Er wusste nicht, dass ich losgelassen hatte, also passte er sich meinem Rhythmus an und hielt immer den gleichen Abstand.
    Ein paar Schritte weiter fiel dann der Groschen. Als Buzz über einen großen Busch sprang, wehte das Seil über seine lockige Brust, und zum ersten Mal fühlte es sich so an, als würde er begreifen, dass wir beide ebenbürtig waren. Er warf seinen Kopf zurück, mir war schlecht, und ich fühlte mich innerlich ganz trocken, denn ich wusste, ich hatte keinerlei Kontrolle, aber ich lief weiter. Da war nichts zwischen mir, Buzz und der Wüste – nur die Hoffnung, dass er mir die Treue halten würde.
    Beim Rennen versuchte ich, ihn nicht zu bedrängen. Ich wollte ihn nicht schubsen, ab und zu guckte ich aber, wo er war. Ein oder zwei Mal sah ich, wie er dasselbe tat. Er war nie weiter als eine Armeslänge von mir entfernt. Vom Laufen war ich müde und verschwitzt, deshalb wurde ich langsamer und fiel ins Schritttempo. Ich wusste nicht, ob er stehen bleiben oder einfach weiterrennen würde. Meine Brust hob und senkte sich schwer. Ich stemmte die Hände auf die Hüften und ruhte mich aus, dabei beobachtete ich Buzz. Angst machte sich in meinem Magen breit. Eine Weile stand er still, er fragte sich wohl, ob ich noch ein bisschen weiterspielen würde. Dann, als ihm das Warten langweilig wurde, beschloss er, auf den struppigen Halmen zu grasen.
    Beinahe wäre ich rübergerannt, um ihn zu packen und ihn mir wieder zu schnappen, aber ich wollte mehr als das für uns. Ich ließ ihn eine ganze Weile fressen, kniete mich einfach in den Sand und genoss den Freiraum, den wir hatten. Ab und zu guckte er rüber, dabei kaute er pieksige Grashalme, die zwischen seinen Lippen rauslugten. Ich glaub, er wollte nur sichergehen, dass er meinen Hut noch sehen konnte. Da wurde mir klar, dass ich kein Seil brauchen würde, ich würde ihn stattdessen einfach rufen. Nicht wie einen Hund, eher so wie einen Freund.
    Ich richtete mich auf und drehte Buzz den Rücken zu und pfiff. Er schaute auf – so als ob ich ihn gestört hätte. »Nun komm, Buzz, wir gehen!«, rief ich und schwenkte meinen Arm. Ich schloss die Augen und hoffte inständig, dass er mir folgen würde. Noch was wollte ich heute nicht verlieren.
    Ich schaute mich nicht mehr um. Wenn ich Buzz wäre, und er würde mich kontrollieren, dann wäre das so was wie eine Beleidigung. Ich kniff die Augen zu und betete mit aller Kraft, dass Buzz mir folgen würde und nicht der Wüste.

10
    ICH HÖRTE

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