Es wird schon nicht das Ende der Welt sein
Jonny zu reden. Ich sagte ihr, dass das sonst keiner machte, und sie nickte. Sie meinte, das sei so, weil alle so traurig darüber waren, dass er gestorben war. Ich glaub, es lag daran, dass vorher noch nie jemand so richtig zu mir gesagt hatte, dass Jonny tot war, aber als ich diese Worte hörte, musste ich heulen. Eine glühend heiße Träne brannte mir eine Spur die rechte Wange runter, und dann hob sich meine Brust so schwer, und ich glaubte, nie wieder atmen zu können. Tante Ve zog mich an sich, und ich kam mir klein und kalt vor an ihrem großen, warmen Körper. Nach ein paar Minuten holte sie ein Taschentuch aus ihrem Ärmel und gab es mir. Es fühlte sich warm an, als ich mir die Augen damit wischte und die Nase putzte. »Brauchst du deinen Inhalator, Schatz?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf und sagte, mir gehe es gut.
»Du bist nicht der Einzige, dem er fehlt, weißt du? Was meinst du, wie es mir geht – und Gil?« Sissy hatte alles mitgehört, was wir gesagt hatten. Ich brüllte sie an, sie solle abhauen – ich wollte nichts von ihr und Gil hören, und sie sollte auch nicht wissen, dass ich geheult hatte. Und da hob Tante Ve dann die Hände und sagte: »Das reicht«, und dass wir einen Waffenstillstand schließen sollten. Sie legte ihre weiche, warme, dicke Hand auf meine und sagte, ich müsse ihr zuhören. Also tat ich das. Sie sagte, wenn ich je von Jonny reden wollte, sollte ich einfach sagen, was ich im Kopf hatte. Ich sagte, das wolle ich ja, es sei aber so schwer. Sonst redete keiner je so richtig von ihm – besonders Dad nicht. Sissy nickte, als ob sie genau wusste, wovon ich sprach. Tante Ve hielt inne, als ob sie nachdenken würde, und dann sagte sie: »Nun, das ist Dads Art. Das heißt nicht, dass du es auch so machen musst.« Sie sagte, wir drei sollten einen Deal machen. Sie sagte, ich sollte mit Sissy sprechen, oder wir könnten sie anrufen, um von Jonny zu reden, weil sie auch gern von ihm redete. Tante Ve hielt mir ihre Hand zum Schütteln hin, so als würden wir einen Handel besiegeln. Als ich sie schüttelte, fühlte ich mich anders. Keine Ahnung, warum, aber es ging mir gut. Wie wenn man ein Geheimnis hat. Ich lächelte sie beide an.
Mum kam ins Haus und bat Sissy, Alex zu holen. Sissy sagte nichts, sie ging einfach und holte Alex und brachte ihn in seinem Korb nach draußen. Als Mum ihr die Tür aufhielt, drehte Sissy sich um und lächelte Tante Ve und mich an, also lächelte ich zurück.
Ich ging in mein Zimmer, weil ich vom Fenster aus sehen wollte, was passierte. Mum, Dad und Mick lehnten an Micks Auto, der leere Korb stand auf dem Kühler. Sissy stand ihnen gegenüber, sie schaute zu, wie Gil Alex in den Armen hielt. Sie waren ewig da draußen, redeten und reichten Alex von einem zum anderen, bis er schließlich anfing zu weinen, da gaben sie ihn Sissy wieder.
Mum, Dad und Sissy kamen zurück ins Haus. Dad sagte, er und ich würden uns unterhalten müssen – von Mann zu Mann . Mum ging mit Sissy und Alex in die Küche. Als Dad die Tür zumachte, überlegte ich, was ich falsch gemacht hatte. Dann setzte er sich und schaute seine Hände eine Weile an. Dann sah er mich direkt an und sagte: »Ob es dir gefällt oder nicht, Daniel, Gil ist Alex’ Dad. Das müssen wir alle akzeptieren.«
Ich starrte ihn an, wartete ab, was er sonst noch zu sagen hatte. Dad holte Luft, und dann sagte er: »Wir kennen die Smiths schon sehr, sehr lange. Mick ist jahrelang mein Freund gewesen und Gil war mit Jonny befreundet.« Dad sprach Jonnys Namen nur ganz selten aus. So gut wie nie. Dann sagte Dad noch so was wie, er meine, Sissy und Gil seien beide viel zu jung für ein Baby, aber es sei sinnlos, darüber nachzudenken, denn Alex war da, und wir mussten alle unser Bestes tun, um ihm zu helfen. Er meinte, Alex sei genauso, wie ich gewesen war, als ich klein war, und er verdiene ebenso gute Chancen, wie ich sie gehabt hatte. Er sagte: »Er ist dein Neffe, Daniel. Denk dran.«
Mum kam rein. Dad schaute sie an und dann wieder mich und sagte, sie hätten mit Mick drüber geredet, und sie meinten, Gil und ich müssten uns die Hand geben und die Sache hinter uns lassen. Ich sagte, auf keinen Fall würde ich ihm die Hand geben. Er war Jonnys Freund und er hatte es mit Sissy getrieben. Ich weiß nicht, warum die beiden Sachen wichtig waren, aber irgendwie wusste ich, dass es so war. Ich sagte, meine Schuld sei das nicht. Und da sagte Mum, manchmal spiele es keine Rolle, wessen Schuld was war.
Weitere Kostenlose Bücher