Es wird Tote geben
er gemeint, dass sie das Top hinaufziehen soll, damit … Das hat sie getan, weil … sie hat halt Angst gehabt … und dann hat er gesagt, dass sie ihn angreifen soll und … dann hat sie kotzen müssen.“
„Sie hat sich in seinem Wagen übergeben? Auf ihn?“ Schäfer zwang sich, ein Grinsen zu unterdrücken.
„Einmal auf ihn und dann ist sie eh ausgestiegen.“
„War deine Schwester alkoholisiert?“
„Nein … doch, wahrscheinlich schon.“
„Stark?“
„Nein, bestimmt nicht.“
„Bis jetzt glaube ich dir, was du gesagt hast … Wenn du jetzt zu lügen anfängst, kannst du gleich hinausspazieren … also: Was hat sie geschluckt?
„Ein E … und dann später noch eins.“
„Ein Ecstasy vor der Party, eins zwischendrin … und vielleicht noch ein bisschen Gras und was weiß ich“, schlussfolgerte Schäfer.
„Ja … aber das …“
„Aber das dürfen eure Eltern auf keinen Fall erfahren, weil sonst, bla bla bla … und das war auch dem Haidegger klar, der deiner Schwester angesehen hat, dass sie völlig breit ist.“
„Wieso sind Sie jetzt plötzlich böse auf mich?“, fragte sie verstört. Er sah sie an. In ihren Augen lag tatsächlich so etwas wie Unschuld. Vermischt mit der kindlichen Zuversicht, dass er die Lösung ihrer Probleme darstellte. Und wenn sie jetzt auch noch mit den Wimpern klimperte wie Bambi – was blieb ihm dann noch übrig, als seine Waffe zu nehmen, gemäßigten Schrittes zu diesem Haidegger zu spazieren, ihm ein paar schaurige Takte auf der Mundharmonika vorzuspielen (Amigo, du hast einen Fehler zu viel gemacht. Und jetzt bin ich der Letzte, der dir was bläst!) und ihm die Lebenskerze auszulöschen. Tja, aber auf dieses Gleis hatte er sich selbst manövriert. Weiblicher Teenager, Sexualdelikt, da überlegte er normalerweise nicht zweimal, die erste Vernehmung von einer Kollegin durchführen zu lassen oder diese zumindest im Raum zu haben. Er blickte durch die Scheibe, sah Auer, die sich rasch wegdrehte, mit der Hand über den Mund fuhr und irgendeine Mappe zur Hand nahm. Neugieriges Weib. Ansatzlos schleuderte Schäfer seinen Gummiball gegen das Glas und fing ihn lässig wieder auf.
„Warum kommst du damit zu mir?“ Er wandte sich wieder dem Mädchen zu, das ihre Entscheidung nun wohl selbst anzweifelte.
„Sie sind der Superbu… …polizist … der mit den ganzen irren Fällen, voll arg: Sie haben eine Kugel in den Kopf bekommen und ihr Gedächtnis verloren … krass … dass Sie das überlebt haben.“
„Ja, schon“, erwiderte Schäfer, dem die Version mit der Kugel neu war. „Also: Wie heißt der Haidegger mit Vornamen, wo wohnt er, welches Auto fährt er?“
„Günther … in der gleichen Straße wie wir, also Hamernikgasse, wir sind 9 … dann ist er … 11, 13, 15 … 19 oder 21 … und das Auto … ein BMW , schwarz.“
„Ich muss noch mit deiner Schwester sprechen“, sagte Schäfer, nachdem er sich ein paar stichwortartige Notizen gemacht hatte.
„Warum?“
„Um eure Glaubwürdigkeit zu überprüfen.“
„Wieso soll ich denn so was erfinden?“, fragte sie aufgebracht.
„Vielleicht weil deine Mutter ein Verhältnis mit dem Haidegger hat und ihr euch an ihm rächen wollt?“
„Spinnen Sie? Meine Mutter hat sicher … Warum sagen Sie so was?“
„Das war nur ein Beispiel … also: Ruf deine Schwester an und sag ihr, dass sie herkommen soll.“
Widerwillig griff sie in ihren Rucksack und nahm das Handy heraus.
„Sie fragt, ob’s um acht auch noch geht, weil sie Volleyball hat … Sie kann aber auch bei Ihnen zu Hause vorbeikommen.“
„Sicher nicht … Ich bin bis Viertel nach da.“
„Danke“, sie stand auf und machte einen Knicks. Jössas, wer hatte ihr denn das beigebracht? Die Urgroßtante, die bei ihnen am Dachboden lebte und trotz ihrer hundertvierzig Jahre noch immer Wert auf ein gepflegtes Benehmen legte?
„Noch habe ich nichts getan … Wie alt bist du eigentlich, Carola?“
„Siebzehn.“
„Und deine Schwester?“
„Auch siebzehn.“
„Wie geht das?“
„Wir sind Zwillinge.“
„Eineiig?“
„Ja … sieht man uns sogar an.“
„Sehr lustig … na von mir aus … raus jetzt mit dir.“
6.
Gegen sechs konnte er sich dazu durchringen, die Eltern von Yvonne Raab aufzusuchen – nachdem er zuvor in der Hoffnung angerufen hatte, dass niemand abheben würde. Mit der Familie gerade verstorbener Kinder zu sprechen. Ein Vater, der kurz vor einem Amoklauf gegen einen Schuldigen oder gegen sich selbst stand.
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