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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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und eine Stimme hat die …“
    „Aber die hat sie erst nachher gehabt.“
    „Was?“
    „Die Stimme.“ Schäfer zündete sich ebenfalls eine weitere Zigarette an.
    „Ja … weil der Herr Pfarrer … das hat ihr vielleicht sogar geholfen … dass sie da im Chor ist und mit den Leuten … aber eine Stimme … möchte man nicht glauben, wenn man sie heute so sieht … und die war fesch, früher.“
    „Das glaube ich gern … um so eine würden sich die Gewissen auch heute noch reißen, wenn sie nicht …“ Schäfer wachelte mit der Hand vor seiner Stirn hin und her.
    „Bestimmt … ja, was meinen Sie, wie da die Herrschaften angetanzt sind, wie sie sich vom Materna hat scheiden lassen … unter uns: Mir hätte sie schon auch gefallen, die Luise … aber bieten habe ich ihr halt nichts können.“
    „Na ja: Ganz nichts ist so eine Stelle bei der Gendarmerie ja auch nicht“, bemerkte Schäfer.
    „Ja, schon … aber die Luise hat’s eher mit den Höheren gehabt … der Materna war ja auch nur ein gelernter Setzer, aber fleißig, und Geld hat er gemacht … das hat ihr schon imponiert … da war einer wie ich …“
    „Aber Sie haben eh eine ordentliche Gattin“, wandte Schäfer ein und wunderte sich sogleich über seine absonderliche Wortwahl.
    „Jaja … beklagen darf ich mich nicht … manchmal träumt man halt, oder? … Das machen wir doch alle, oder?“
    „Ja“, erwiderte Schäfer, dämpfte seine Zigarette aus und ging zur Eingangstür, bevor Hornig noch auf die Idee kam, ihm auf die Schulter zu klopfen.

17.
    Ohne es auch nur eine Sekunde lang geplant zu haben, begrüßte er den Samstag in andächtiger Demut, im Gras kniend und dem Leben für so viel Schönheit dankend: der Sonne, die wie eine wärmende Welle über die beschattete kühle Luft in seinem Garten kam. Den Amseln, Meisen und anderen ihm namenlosen Singvögeln, die diesem so großen wie gewöhnlichen Ereignis ihre hellsten und freudigsten Töne schenkten. Dem Frieden, der über den Wiesen und Äckern lag, über der Erde, die mit flüchtigen Nebelschwaden die Feuchtigkeit des nächtlichen Gewitters freigab, dem Mohn, den Laubbäumen … all das flutete ihn mit so viel Anmut und Glück … dass die Wehmut nicht ausbleiben konnte, diese Schönheit und dieses Gefühl nicht halten zu können, nicht mit den Händen, nicht mit Worten. Er konnte es nur sein lassen, für den Augenblick, während die Feuchtigkeit des Grases durch den Stoff seiner Hose auf die Knie drang und ihn schließlich überredete, sich zu erheben und aufrecht in den neuen Tag zu gehen. Oder auch: Schluss mit kitschig, jetzt wird’s wirklich.
    Er ließ den Morgenspaziergang aus. Vermutlich zum ersten Mal, seit er das Haus bezogen hatte. Wenige Sekunden nach sechs – die Frühnachrichten im Radio gaben ihm diese präzise Zeitauskunft – setzte er Teewasser auf. Er zerteilte drei Marillen und eine Banane, gab die Stücke in eine Schüssel und goss Joghurt darüber. Dann schnitt er drei Scheiben Schwarzbrot ab, nahm Butter, Käse und Marmelade sowie ein Ei aus dem Kühlschrank, füllte einen kleinen Topf mit Wasser und stellte ihn auf die Herdplatte. Die weigerte sich, auch nur lauwarm zu werden. Er versuchte es mit den drei anderen, die ebenfalls weder auf das Drehen der Schalter noch auf Schäfers Bitten reagierten. Das war gar nicht gut. Am Nachmittag würden Kovacs und Bergmann anradeln, hungrig wie die Germanen nach einer Schlacht gegen die Römer. Wenn die nur Käsebrot und Wein bekamen, würden sie wahrscheinlich sogar ihren ehemaligen Herrn und Meister schlachten und wie ein Spanferkel über dem Feuer drehen. Immerhin habe ich noch ein paar Stunden Zeit, beruhigte er sich, als er im Garten saß, in aller Ruhe sein Frühstück verzehrte und erfreut feststellte, dass seine Tiere dabei waren, ein neues Stück einzustudieren. Dabei kauerte die Katze neben der Feuerstelle und stellte sich schlafend, während der Rabe auf ihren Rücken hüpfte, sich in ihrem Fell verkrallte und mit den Flügeln zu schlagen begann.
    Gespannt setzte Schäfer seine Tasse ab. Entweder gaben die beiden hier eine arme Version der Bremer Stadtmusikanten oder … oder der Vogel wollte die Katze tatsächlich in die Luft bringen! Schäfer lief ins Schlafzimmer, um sein Handy zu holen. Wenn dem Raben das gelang, musste es Beweise dafür geben! Sonst: „Hab ich dir schon erzählt, dass ich meinem Raben beigebracht habe, meine Katze auf einen Rundflug mitzunehmen?“ „Aha (Vogel zeigen), da wandern

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