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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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zehn Minuten misstrauten, bis die Gier sie überwältigte … später im Garten, wo er sich allem widersetzte, was ihm als Krücke seiner Einsamkeit vorkam: dem Wein, dem Messerschleifen, einem Anruf irgendwo … sammelte er die Patronenhülsen ein und warf sie in die leblose Feuerstelle. Überprüfte, ob der Gartenzaun einen neuen Anstrich vertragen könnte. Dachte daran, ihn gänzlich niederzureißen und zu verheizen. Diese hässliche, nutzlose Reviergrenze, die nur jemanden abhalten konnte, der keine Gefahr darstellte.
    Später im Garten fragte er sich, ob er vielleicht selbst in Gefahr war. Keine vier Monate hier und schon bekam er es mit einem Perversen zu tun, der eine Selbstmörderin filmte und das Video an die Polizei schickte.
    Wenn er an diesen Vorfall logisch heranging, müsste er zuerst Bergmann auf den Posten holen. Der war es schließlich gewesen, der Schäfer dieses Energiefeld angedichtet hatte. Und weil es dieses nun einmal nicht gab, stand der Chefinspektor als Hauptverdächtiger da. Vielleicht war er nach dem Abgang seines ehemaligen Vorgesetzten in eine Psychose gefallen. In eine dissoziative Störung, aus der er sich befreien wollte, indem er Schäfer einen komplizierten Fall aufhalste, der diesen veranlassen würde, seinen ehemaligen Assistenten … Bergmann als Diabolus ex machina, Schwachsinn.
    Was war mit diesen Fi-fi-Leuten? In diesem Haufen an Freaks konnte sich auf jeden Fall einer finden, der zu so etwas fähig war. An Kameras und den technischen Fähigkeiten, so ein Video anonym zu versenden, mangelte es ihnen bestimmt nicht. Und er hatte auch noch einen von ihnen zu sich nach Hause eingeladen. Wobei dieser Sanders einfach nicht der Mensch dazu war, so etwas zu tun, oder? Vielleicht war es ja jemand, der ihm persönlich etwas heimzahlen wollte. Jahrelang – jetzt konnte man schon sagen jahrzehntelang – hatte er solche Menschen verfolgt, hatte sie verhaftet und verhört, dann waren sie verurteilt worden und … vergessen?
    Nein … er saß im Gras, entzündete in der Feuerstelle eine alte Zeitung, warf die Reste einer Obststeige hinein, die er am Vorabend zertreten hatte, und reihte im Kopf die schlimmsten Verbrecher auf, mit denen er zu tun gehabt hatte – etwa so wie Don Giovanni die Liste seiner Liebhaberinnen durchsieht. Ja, dieser Abend, als seine Exfreundin Isabelle ihn in die Staatsoper geschleppt hatte. Wo er in dieser peinlichen Loge (Geschenk vom Oberstaatsanwalt!) verlegen im Programmheft geblättert hatte und noch während des Lesens über den alten dissoluto punito , den bestraften Wüstling, in Gedanken bei einer aktuellen Ermittlung gelandet war.
    Später im Garten rief tatsächlich Isabelle an. Hatten Frauen eine biologische Ausstattung, die es ihnen auch über große Distanz erlaubte, den Schmerz gegenwärtiger wie auch ehemaliger Gefährten zu fühlen? So wie die Metallpartikel am Schnabel der Brieftaube, die angeblich wie ein Kompass funktionierten. Er stellte diese Frage Isabelle und sie lachte.
    „Hast du denn die letzten vier Wochen schmerzfrei verbracht?“, fragte sie nach.
    „So lange hast du schon nicht mehr angerufen? … Miststück!“
    „Ja, du mich auch nicht, Scheißkerl! … Hast du dich schon eingelebt? … also: in deinem Haus, nicht in deinem Leben.“
    „Ah, haha … haben Frau Staatsanwältin dem Champagner zugesprochen oder eine Gehaltserhöhung bekommen?“
    „Wer im Weinkeller sitzt, soll nicht mit Flaschen werfen … Beides, mon cher inspecteur … Wenn ich das nächste Mal nach Wien fliege, nehme ich dir aus der Business Class die honigummantelten Erdnüsse mit.“
    „Gerne … ich darbe bei Pumpernickel und Leberstreichwurst.“
    „Du hast immer noch keinen neuen Herd und überlegst, das Geschirr aus deiner alten Wohnung, das du zur Caritas gebracht hast, zurückzuverlangen.“
    „So in etwa, ja … Bergmann reißt sich aber auch nicht wirklich den Arsch auf, mir zu helfen.“
    „Vielleicht solltest du ihm den Arsch … ’tschuldigung, das war jetzt geschmacklos … vielleicht solltest du ihn einfach ganz lieb danach fragen, als Freund, verstehst du.“
    „ … Freund, ja, vielleicht.“
    „Ja, Freund … Vergiss endlich einmal die alte Hierarchie und gesteh dir ein, was du ihm zu verdanken hast. Ohne ihn wärst du im Gefängnis oder tot.“
    „Wer sagt denn so was?“
    „Ach, vergiss es … Ich rufe ihn morgen an und gebe ihm diskret zu verstehen, dass du ohne seine Hilfe demnächst die Raben von den Bäumen schießt und am

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