Es wird Tote geben
Lagerfeuer brätst.“
„Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass in meinem Garten eine Katze und ein Rabe Kunststücke einüben?“
„Warum wundert mich das jetzt nicht …“
16.
Die Befragung des Filmteams hatte sie keinen Schritt weitergebracht. Unabhängig voneinander – und ohne den Eindruck zu machen, sich abgesprochen zu haben – sagten alle sieben Personen aus, dass sich bei ihrer frühmorgendlichen Wald- und Wiesentour keiner von der Gruppe entfernt hatte. Zudem hätte niemand von ihnen das Mädchen je zuvor gesehen, geschweige denn näheren Kontakt zu ihm gehabt. Die Sache mit dem Video hatte Schäfer freilich nicht erwähnt. Zum einen ging es hier um Täterwissen, aus dem sich durch eine Unachtsamkeit im Gespräch vielleicht ein Verdächtiger finden ließe. Zum anderen schien es ihm noch zu früh, Misstrauen innerhalb des Filmteams zu säen. Einstweilen wollte er mit „ein paar Unklarheiten“ und „reinen Routinemaßnahmen“ nur eine Prise Sand ins Getriebe der Produktion werfen – ein kleines Knirschen bewirken, das vielleicht den einen oder anderen zu geschärfter Aufmerksamkeit anregte, ohne dass gleich die ganze Maschine stockte. Und der Bürgermeister nebst Tourismusverband ihm den Landespolizeikommandanten auf den Hals hetzten.
„Reiner Zufall also, oder?“, fragte Schäfer den Drehbuchautor, der am späten Nachmittag vorbeikam.
„Na ja …“, Sanders zuckte mit den Achseln und schielte zum Kühlschrank, „was denn sonst? Ist ja doch nicht so, dass jemand das Mädchen auf die Gleise gefesselt hat, oder?“
„Nein“, Schäfer stand auf und holte seinem Gast ein Glas Wein, „es gibt allerdings ein paar Kleinigkeiten, die diesen Suizid in einem seltsamen Licht erscheinen lassen.“
„Was denn zum Beispiel?“
„Es sieht so aus, als ob zum Zeitpunkt des Unglücks jemand in der Nähe war, der das Mädchen hätte retten können …“
„Versteh ich nicht.“ Sanders nahm einen großen Schluck.
„Was gibt’s da nicht zu verstehen? Jemand hat die Kleine gesehen und sie trotzdem nicht von den Gleisen geholt.“
„Und … wer war das?“
„Weiß ich nicht.“
„Aber woher wissen Sie dann, dass jemand dort war … das muss doch ein Zeuge gesehen haben und der hätte das Mädchen doch selbst gerettet oder …“
„Ja“, so viel Scharfsinn hatte Schäfer dem Drehbuchautor nicht zugetraut, „ich kann Ihnen nur so viel sagen, dass dieser Todesfall … dass ich ihn nicht so einfach als Selbstmord abtun kann.“
„Und Sie glauben, dass einer von uns etwas damit zu tun hat?“
„Womit wir wieder am Anfang wären“, meinte Schäfer, trommelte mit dem Bleistift ein paar Takte auf den Schreibtisch und sah Sanders durchdringend an. „Ich habe per Mail ein Video bekommen, auf dem der Tod des Mädchens zu sehen ist.“
„Was?!“ Sanders sah Schäfer ungläubig an und stellte sein Glas ab. „Das ist ja abartig.“
„Eben … und genau deswegen habe ich auch Sie und Ihre Kollegen antanzen lassen.“
„Wahnsinn.“ Der Drehbuchautor nahm sein Glas, trank es leer und hielt es unschlüssig in der Hand, worauf Schäfer aufstand, zum Kühlschrank ging und die Flasche hernach auf den Schreibtisch stellte. Angetrunken war ihm der Mann im Augenblick lieber als nüchtern.
„Also: Gibt es jemanden in eurem Team, dem Sie so etwas zutrauen?“
„Ffh“, stieß Sanders einen Seufzer aus, „außer Ulli und Erik kenne ich ja keinen besser… außerdem, wie hätte denn jemand wissen sollen, dass das Mädchen sich genau um diese Uhrzeit … der hätte sie doch kennen müssen und … Das ist mir ehrlich gesagt alles ein bisschen zu hoch.“
„Damit sind Sie nicht allein … ja, bevor ich’s vergesse“, Schäfer öffnete die Schublade und nahm das Notizbuch von Yvonne Raab heraus, „Sie als Sprachgewandter: Wissen Sie zufällig, was diese Kürzel bedeuten könnten?“
„ SIB … CUT … TML “, murmelte Sanders, „könnten SMS -Abkürzungen sein, SIB heißt dann Schmetterlinge im Bauch, CUT steht wahrscheinlich für see you there oder tomorrow … TML sagt mir nichts …“
„Schmetterlinge im Bauch heißt, dass sie verliebt war … und weder ihre Freundinnen noch ihre Mutter haben davon was mitbekommen … seltsam, oder?“
„Na ja … vielleicht wollte sie es geheim halten, deswegen auch die Kürzel … eine verbotene Liebe, daraus lässt sich immer was machen!“
„Was machen?“
„Na ja, eine Geschichte, Tragödien …“
„Ja, danke für den Tipp.“
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