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Es wird Tote geben

Es wird Tote geben

Titel: Es wird Tote geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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Schäfer griff nach hinten, holte die Kopien der Akte Materna aus dem Schrank und hievte sie auf den Schreibtisch. „Brauchen Sie eine Tasche?“
    „Was ist das?“, fragte Sanders leicht verunsichert.
    „Die Akte, die ich Ihnen versprochen habe … erinnern Sie sich nicht mehr?“
    „Natürlich!“, dem Drehbuchautor leuchteten die Augen, „aber dass Sie das ernst gemeint haben …“
    „Das wusste ich bis gestern selbst noch nicht.“ Schäfer druckte ein Dokument aus und legte es vor Sanders hin.
    „Was ist das?“
    „Eine Sicherheitserklärung: Wenn Sie diese Akte im Gesamten oder Auszüge daraus ohne Erlaubnis weitergeben oder vervielfältigen: ab in die Donau.“ Schäfer reichte seinem Gegenüber einen Stift. „Da unterschreiben, wo geständiger Serienmörder steht.“
    „Eigentlich müsste ich dem Lehnhart Sie als Hauptrolle vorschlagen“, meinte Sanders kichernd, während er das Formular ungelesen unterschrieb.
    „Wann fangt ihr eigentlich an mit dem Dreh?“
    „Morgen, da ist der ‚Unfall‘ dran … aber weil es hier in der Gegend mit Möglichkeiten zum Canyoning schlecht aussieht, fahren die nach Salzburg … so viel zum Realismus.“
    „Sie fahren nicht mit?“
    „Nein, ich bin nur dabei, wo Logikfehler auftreten könnten … wenn es schnell was zum Umschreiben gibt … aber mal im Ernst: Wollen Sie nicht eine kurze Szene haben? Erik macht da sofort mit … muss ich nur das Wort Authentizität fallen lassen und Sie sind dabei.“
    „Ja“, Schäfer überlegte einen Moment, „ich will in einem Gasthaus in der Ecke sitzen, am besten beim Tischlerwirt … mit einem falschen Vollbart und einem Tirolerhut … und wenn eure beiden Stars hereinkommen, um der Kellnerin ein paar Fragen zu stellen, möchte ich sagen: Schleicht’s eich, Scheiß-Kiwara!“
    „Was war das zum Schluss?“
    „Kiwara … sagt man in Ostösterreich zu Polizeibeamten.“
    „Alles klar“, meinte Sanders, nachdem er ein Notizbuch aus der Gesäßtasche genommen und ein paar Stichwörter hineingeschrieben hatte. „Das box ich durch.“
    „Bestimmt, ich wollte immer schon ins Fernsehen“, meinte Schäfer und schaute auf die Uhr.
    Nachdem Sanders den Posten verlassen hatte, versuchte Schäfer eine halbe Stunde lang, sich ein Bild von der Person zu machen, die ihnen dieses Video geschickt hatte. Es war nicht an ihn persönlich, sondern an die Dienststelle gegangen. Also stand zumindest nicht er selbst im Fokus. Viel weiter kam er nicht. Was war los mit ihm? Er schrieb es der mangelnden Unterstützung durch sein Team zu und blätterte zur Ablenkung abermals die Akte Materna durch. Dann fischte er eine Zigarette aus der Schachtel und ging ins Freie, wo er Hornig bei einer seiner zahlreichen Rauchpausen antraf.
    „Haben Sie Feuer?“, fragte er den Revierinspektor, obwohl er selbst ein Feuerzeug in der Tasche hatte. Ja, in manchen Momenten erkannte er, dass eine Geste der Dienerschaft es einem anderen ermöglichte, sich wie ein Herr zu fühlen.
    „Heute gibt’s noch ein ordentliches Donnerwetter.“ Hornig deutete zum Himmel, an dem ein paar harmlose Wolken schlummerten.
    „Schwül genug ist es …“ Schäfer ging ein paar Schritte auf den Parkplatz und sah Richtung Westen, als könnte dort die Gewitterfront stehen wie Hannibal vor den Toren Roms.
    „Und der Mond dreht auch“, meinte Hornig, worauf Schäfer ihn unverständig ansah. Gütiger Vater, die Welterklärungsversuche deiner Geschöpfe: So unendlich sind sie wie fruchtlos, verdunkelnd, erhellend, doch niemals das Letzte erleuchtend, wie Schäfer aus eigener Erfahrung wusste, und sich auch deshalb jede weitere Frage verkniff.
    „Übrigens … weil die Frau Materna gestern wieder da war …“
    „Die Nachtigall“, ergänzte Hornig.
    „Ja … was glauben Sie denn, was mit ihrem Sohn passiert ist?“
    „Mit dem Sascha? … Ins Ausland ist der.“ Hornig zündete sich eine neue Zigarette an der alten an, inhalierte tief und stieß den Rauch so kraftvoll aus, als ob er damit einer Meinung Nachdruck verleihen konnte, nach der nie jemand gefragt hatte.
    „Ohne Pass, ohne Geld … ohne irgendwen zu informieren?“
    „Ah, das Bürscherl hat schon gewusst, wie’s geht.“
    „Wie was geht?“ Ab diesem Zeitpunkt verbuchte Schäfer das Gespräch unter Aufrechterhaltung eines freundlichen Kontakts zum Pöbel.
    „Mit dem Halbseidenen halt … Nichts wie Sorgen hat der seiner Mutter gemacht … dabei war das einmal eine wirklich fesche Person, die Frau Materna …

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