Es wird Tote geben
Namen fand. Um zehn nach sechs klopfte Haidegger an die Bürotür.
„Bitte … nehmen Sie Platz …“
„Wäre mir recht, wenn’s schnell ginge … ich muss heute auf die Kleine aufpassen …“
„Kein Problem … soll mir nur recht sein, wenn wir alles aus der Welt räumen, was unsere … ja, Bekanntschaft belastet …“
„Was soll das heißen?“ Haidegger zeigte einen Gesichtsausdruck, als käme er gerade vom Planeten der Affen.
„Sie sind kein Drogenschmuggler oder Dealer, nehme ich an … fester Arbeitsplatz, Familie, abgezahltes Haus, gesellschaftlich integriert … Wieso sollten Sie das alles riskieren für … ja, wofür?“
„Ich bin kein Dealer! … Das waren der Luggi und der Mirko, damit habe ich nichts zu tun …“
„Sage ich ja: Mit denen haben Sie nichts zu tun … also: Wofür so viel Risiko? Für eine kleine Amour fou mit der Tochter Ihres Freundes?“
Haideggers Gesicht wurde in kurzer Abfolge knallrot, fast violett, dann weiß, dann gräulichblau.
„Was zu trinken?“, fragte Schäfer, worauf sein Gegenüber schweigend mit dem Kopf nickte. Treffer, sagte sich Schäfer, ging zum Kühlschrank und nahm die letzte Flasche Wein heraus. Hm, man sollte nach Gebrauch immer gleich nachfüllen.
„Irgendwie bin ich eh froh, dass es jetzt heraußen ist“, meinte Haidegger, nachdem er sein Glas in einem Zug geleert und dann Schäfer hingehalten hatte.
„Kann ich mir denken … auf Dauer geht so was nie gut … und jetzt kann man noch Schadensbegrenzung betreiben …“
„Wie soll das gehen?“ Ein Funken Zuversicht, ein flehendes Licht glänzte in Haideggers Augen.
„Na ja … ich gehe davon aus, dass weder Ihre Frau noch der Vater von Nadja davon erfahren sollen. Und auf eine Anzeige können Sie sicher auch verzichten“, meinte Schäfer gnädig. Dabei dachte er sich: Verdammt, du Hund, sag mir endlich, was ich brauche.
„Wenn Sie mich nicht anzeigen wollen, was wollen Sie dann?“ Obacht, Aufbegehren.
„Schauen Sie“, Schäfer rückte näher an den Schreibtisch und stützte das Kinn auf seine Fäuste, „ich bin schon so lange Polizist, dass ich keine Lust mehr habe, jedes Furzdelikt vor Gericht zu bringen … Die Menschen bauen Scheiße, das war schon immer so … aber wenn ich entscheiden kann zwischen einem jungen Mann, der seine Fehler bereut und in Zukunft Abstand davon nimmt, und einer Familie, die ich zerstöre, indem ich ihn einloche, dann bevorzuge ich Ersteres …“
„Das mit den Drogen, das war Scheiße … das hätte ich von mir aus nie gemacht, so einen Dreck … Ich wollte halt auch nicht, dass sie sich mit so Medikamenten zudröhnt, wo man nicht weiß … Ein Idiot war ich …“
„Wenn eine Frau im Spiel ist, vergisst man sehr oft seine Prinzipien … wem sagen Sie das“, ergänzte Schäfer gelassen und schenkte nach.
„Ja, wahrscheinlich …“, meinte Haidegger erschöpft und schaute auf Schäfers Papierbögen, wo der Name Nadja Windreiter und Günther Haidegger dicht nebeneinander standen, „warum fragen Sie mich das eigentlich, wenn Sie es eh schon wissen?“
„Das habe ich eben gesagt: Ein reuiger Sünder ist mir lieber als hundert scheinheilige Gerechte … also: Wann hat die Affäre zwischen Ihnen und Nadja begonnen?“
Auf dem Nachhauseweg verhielt sich Schäfers Gefühlszustand wie Kinder beim Tempelhüpfen – nur dass ihm statt der Zahlen am Schulhof ein Feld widersprüchlicher Emotionen zur Auswahl stand: Ärger, weil weder ihm noch dem LKA ein Durchbruch gelungen war. Stolz, weil er die wahre Beziehung zwischen Günther Haidegger und Nadja Windreiter aufgedeckt hatte. Schnell verdrängt vom Zorn auf dieses Miststück, das seine Gutgläubigkeit, seinen Beschützerinstinkt – und seine Eitelkeit? – ausgenützt hatte, um ihren älteren Liebhaber unter Druck zu setzen. Bist du nicht willig und beschaffst mir meine Pillen, so gebrauch ich die staatliche Gewalt: diesen wirren Ex-Superbullen aus Wien mit der Kugel im Kopf, der sicher nicht fähig ist, eine Lüge zu erkennen, aber ritterlich genug, um ein junges, unschuldiges Mädchen aus den Klauen eines Perverslings zu befreien. Ja, er hatte sich verarschen lassen von dieser Nadja Windreiter.
Und an diesem Punkt seines Gedankenhüpfens zeichnete sich ein neues Feld ab, auf dem Schäfer sehr gern landete: der Verdacht.
Eine Person, die ihre sexuellen Reize gewinnbringend und rücksichtslos einsetzt … die Zugang zu Drogen hat … der ohne weiteres zuzutrauen ist, dass sie in den Keller
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