Escape
der Zunge und schüttelte den Kopf. Er stellte eine Papiertüte auf den Tisch und packte die Einkäufe aus.
»Wir haben Sandwiches und Chips mitgebracht«, sagte Trev. »Zweimal Truthahn, zweimal Roastbeef. Eistee für Anna und eine Flasche Wasser für dich, Sam.«
Sam ignorierte ihn, stand mit dem Rücken zu allen, die Schultern steif.
»Das mit dem Roastbeef ist meins«, verkündete Nick. Er schaltete den Fernseher ein und zappte sich durch die Programme. »Hast du dein Hemd verloren, Sam?«
»Anna hat sich die Tätowierung noch mal angesehen.«
»Aha.« Nick grunzte. »Genau so sah das auch aus.«
Sam machte einen schnellen Schritt, riss Nick die Fernbedienung aus der Hand und warf sie gegen die Wand zum Badezimmer, wo sie in mehrere Teile zerbrach.
Nick breitete die Arme aus. »Was soll der Mist?«
»Ich muss dir gegenüber keine Rechenschaft ablegen.«
Nick stand auf. »Das habe ich auch nicht behauptet. Aber falls du es vergessen hast, wir sitzen hier gehörig in der Scheiße, außerdem haben wir Cas verloren. Und statt dich auf - ach, was
r- weiß denn ich - darauf zu konzentrieren, diesen Blödsinn zu entschlüsseln, steckst du lieber Anna die Zunge in den Hals -«
Sams Fingerknöchel landeten satt an Nicks Kinn. Nick flog rücklings gegen den Nachttisch, der gegen die Wand polterte. Sam war sofort wieder über Nick, griff mit einer Hand nach seinem T-Shirt und riss ihn auf die Füße.
»Meinst du, ich weiß nicht, was hier auf dem Spiel steht?«, schnauzte Sam.
Ich warf einen Blick zu Trev, hoffte, er würde dazwischengehen, doch er sah genauso schockiert und überrascht aus wie ich.
Nick wischte sich das Blut vom Gesicht und kämpfte sich frei. »Du bist doch der beschissene Anführer, also mach auch deinen Job!«
Aus Sams Kehle kam ein tiefes Grollen, während er zum nächsten Schlag ausholte. Nick duckte sich im letzten Moment weg, kam wieder hoch und boxte Sam in den Bauch, der sich krümmte. Diese Gelegenheit nutzte Nick, schwang mit dem Fuß nach Sam, traf ihn fast im Gesicht, doch Sam gelang es gerade noch, seine Arme hochzureißen, um den Tritt abzuwehren.
Nick machte einen Schritt zurück, schnappte sich die Glasflasche mit dem Eistee und ging damit auf Sam los.
»Aufhören! Sofort!« Meine Worte prallten an den Wänden ab und schnitten durch die Auseinandersetzung. Nick blieb wie erstarrt stehen. »Die Flasche runter!«
Sam kämpfte sich auf die Füße, spuckte Blut auf den Boden.
Noch immer unter Strom, stellte Nick die Flasche ab und stürmte Richtung Tür. »Ich brauche frische Luft.«
»Nein.« Sam zog sich sein T-Shirt über und warf sich dann in seinen Mantel. »Ich gehe. Ich muss hier raus.«
Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer.
29
Ich hätte im Motel bleiben und etwas essen sollen, um das hungrige Grummein in meinem Bauch zum Verstummen zu bringen. Doch ich konnte nicht. Ich rannte über den Parkplatz, den vielen Schlaglöchern ausweichend, hinter Sam her. Gerade als er die Straße überquerte, hatte ich ihn eingeholt.
»Was sollte das?« Er antwortete mir nicht. Ich hastete an ihm vorbei und verstellte ihm den Weg. »Sag's mir.«
Er sah mich mit einem beunruhigenden Blick an. In seinem Auge war eine Ader geplatzt und hatte seinen weißen Augapfel dunkelrot verfärbt. »Ich wollte mich nicht mit ihm prügeln.«
Ich wurde blass. Sie waren meinetwegen aufeinander losgegangen, das gefiel mir überhaupt nicht. Oder zumindest war ich der Auslöser für ihren Kampf gewesen. »Ich weiß. Und er weiß das vermutlich auch.«
»Nick und ich waren nie einer Meinung und -« Er unterbrach sich und starrte stattdessen auf seine Hand, massierte seine Knöchel.
»Und was?«
Sein Mund blieb fest verschlossen. Er schüttelte den Kopf. »Nichts.« Er ging weiter.
»Sam. Sprich mit mir.«
Er blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und sagte dann mit einem Seufzer: »Ich kann mich nicht mehr konzentrieren.
Ich fühle mich beschissen, den ganzen Tag. Ich kann nicht mehr unterscheiden, ob etwas Wirklichkeit ist oder eine Erinnerung oder nur etwas, das ich mal im Fernsehen gesehen, in einem Buch gelesen oder geträumt habe.«
»Und deshalb bist du so leicht reizbar«, folgerte ich. Er wiedersprach nicht. »Ist Dani wieder in deinen Flashbacks aufgetaucht?«
Sein Gesichtsausdruck bestätigte diese Vermutung, obwohl er sagte: »Die sind nie konkret.«
Ich fragte mich unweigerlich, wie weit zurück diese Erinnerungen reichten und wie lange er sie mir schon vorenthalten
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