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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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andere Seite von sich gezeigt. Kaltblütig, bereit zu töten. War der David, den sie eine Woche zuvor kennengelernt hatte, nur Fassade? Anscheinend ja.
    Andererseits hatte er sie vor dem Schattenwesen gerettet und sie vor Kurt verteidigt. Und nicht zuletzt glaubte er an Gott. So schlecht konnte er also nicht sein. Ihm blind zu folgen, behagte ihr zwar nicht, doch sie war zu geschockt, um erneut zu fliehen. Das eben Geschehene hatte ihr gezeigt, wie hilflos sie war. Wahrscheinlich würde der Escorter-Clan sie finden, noch bevor sie die Möglichkeit hatte, Geld von ihrem Girokonto abzuheben. Erschöpft lehnte sie sich an die Rückenlehne, behielt aber die Haustür und die Straße im Blick. Auf eine weitere unangenehme Überraschung konnte sie verzichten. David trat aus dem Haus, warf die Tür zu und stapfte mit finsterer Miene die Auffahrt hinab. Tatsächlich wirkte er wie ein völlig anderer Mann. Etwas Energisches lag in seinen Bewegungen. Entschlossenheit gemischt mit unterdrückter Wut. Täuschte sie sich oder war er sogar gewachsen?
    Er warf ihre Tasche auf den Rücksitz und stieg ein. Doreé wagte nicht, ihn anzusehen. Aus schlechtem Gewissen, aber auch weil sie sich hundeelend fühlte. Der Schlafmangel und die Ereignisse der letzten Tage brachen über sie herein. Nur mit Mühe konnte sie die Tränen zurückhalten. Sie wollte nicht vor ihm weinen, solange er sich in dieser Stimmung befand. Wortlos startete er den Wagen und fuhr davon. Im Seitenspiegel sah Doreé das Glashaus schnell kleiner werden. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, dass sie nicht wieder dorthin zurückkehren würde.
    »Wohin fahren wir?«, wagte sie zu fragen. »Zurück nach Charlottenburg?«
    Er schüttelte den Kopf und brummte etwas Unverständliches. Sie musterte ihn verstohlen. Sein Kiefer spannte sich, so fest biss er die Zähne zusammen, und er umklammerte das Lenkrad, als wollte er es erwürgen. Doreé fragte sich, ob er sie gerne anschreien oder ihr eine Ohrfeige verpassen würde für ihre Dummheit. Fast wünschte sie, er würde es tun, dann wüsste sie wenigstens, woran sie war. Dieses Schweigen hingegen war unerträglich.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie.
    Er zeigte keine Reaktion.
    »Wirklich«, fügte sie hinzu.
    »Wir reden später, Doreé«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
    Doreé wünschte sich, dass er ihr zumindest verraten würde, wo sie hinfuhren, aber er hüllte sich stur in Schweigen. Also versuchte sie, aufgrund der Beschilderung das Ziel ihrer Reise herauszufinden. David verließ Berlin in Richtung Dresden und fuhr anschließend auf die A15 Richtung Cottbus. Es dauerte nicht lange, da dämmerte ihr, dass sie den Weg zur polnischen Grenze eingeschlagen hatten. Wollte er Deutschland etwa verlassen? Die Antwort auf ihre stumme Frage folgte sofort. »Ich hoffe, du hast deinen Personalausweis dabei.«
    »Warum? Verlassen wir Deutschland?«, stieß sie hervor.
    Er warf ihr einen warnenden Blick zu. »Nicht hier.«
    »Warum nicht?«
    Genervt rollte er mit den Augen. »Bitte, Doreé. Vertrau mir, okay?«
    Hatte sie eine Wahl? »Könntest du wenigstens an einem Geldautomaten halten, bevor wir das Land verlassen?«
    »Nein«, war seine knappe Antwort.
    Fünfzehn Minuten später verließ er die Autobahn und sie überquerten unbehelligt die Grenze nach Polen. Aufmerksam betrachtete Doreé die Beschilderung, doch Namen wie Krzyzowa und Wroclaw verrieten ihr nicht das Geringste über ihren Zielort. Bleierne Müdigkeit wechselte mit Aufregung und Angst. An einer Raststätte kaufte David zwei Becher Kaffee, Wasser und eine große Portion Piroggen. Zwar verspürte Doreé keinen Appetit, dafür aber einen Bärenhunger. Um das Knurren in ihrem Magen zu beruhigen, aß sie zwei Teigtaschen. Anschließend ging sie zur Toilette. Ein erschreckend bleiches Gesicht mit müden Augen, unter denen sich dunkle Ränder abzeichneten, starrte sie aus dem Spiegel an. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und trocknete sich mit ein paar Papiertüchern ab. Draußen entdeckte sie einen Geldautomaten, der, zu ihrer Erleichterung, deutsche ec-Karten akzeptierte. Sie hob den zulässigen Höchstbetrag von fünfhundert Euro ab und kehrte dann zum Wagen zurück, wo David bereits ungeduldig und offensichtlich genervt auf sie wartete. Er beschwerte sich nicht, doch sie sah es an der Art, wie er die Lippen zusammenkniff und zugleich die Stirn in Falten legte. »Können wir endlich weiter?«
    Doreé stieg ein und schnappte

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