Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
Vom Netzwerk:
Umhängetasche, zog anschließend die Nachttischschublade auf und wühlte in dem Wust aus Ladekabeln, halbleeren Schokoladenverpackungen, Kugelschreibern und Teelichtern nach ihrem Sparbuch. Erst da fiel ihr auf, das eines der Bilder fehlte, und zwar das von Jakob und ihr. In ihrer Aufregung hatte sie es zuerst nicht bemerkt. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube besah sie sich die Stelle, wo es gestanden hatte, entdeckte den staubfreien Abdruck, den es auf dem Nachttisch hinterlassen hatte. Es war erst kürzlich entfernt worden.
    Das Geräusch, das vom hinteren Teil des Hauses zu ihr hinauf drang, fühlte sie eher, als dass sie es wirklich hörte. Ein leises Erbeben ihres Unterbewusstseins. Sie stockte und lauschte. Ein Auto fuhr vorbei. Irgendwo bellte ein Hund. Sicher hatte sie sich getäuscht. Leise erhob sie sich, schlich auf Zehenspitzen zur Tür und spähte in den Flur. Weder konnte sie etwas hören noch sehen, doch das Kribbeln in ihrem Nacken kündete eindeutig von Gefahr. Sie erwog, einfach nach unten zu stürmen und aus dem Haus zu rennen. Notfalls auch schreiend, sollte es jemand wagen, sich ihr in den Weg zu stellen. Der Laut, der nur einen Herzschlag später von unten zu ihr hinauf drang, machte diese Überlegung zunichte. Jemand machte sich an der Terrassentür zu schaffen. Erfolgreich, wie sie an den unmittelbar folgenden Schritten erkannte. Sie hatte nie verstanden, warum ihre Mutter, im Gegensatz zu ihrem überängstlichen Flutlichtnachbarn, nicht für mehr Sicherheit in dem Haus gesorgt hatte. Nun verstand sie es. Wer würde es wagen, in das Haus einer Escorterin einzubrechen? Und selbst wenn: Wer könnte in einem Kampf gegen ihre Mutter bestehen? Zudem war anzunehmen, dass das Haus durch einen Bann geschützt war, wodurch sich weltliche Sicherheitsmaßnahmen erübrigten.
    Laut und schwer pochte ihr Herz gegen ihre Rippen. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie schluckte trocken, versuchte, ihren Hals freizubekommen. Jetzt bloß keine Panikattacke.
    Ein Versteck. Sie brauchte ein Versteck. Die geheime Kammer im Schlafzimmer ihrer Mutter fiel ihr ein. Die Schritte bewegten sich Richtung Wendeltreppe. Scheiße. Sie musste sich beeilen. Mit zusammengebissenen Zähnen huschte sie über den Flur und verschwand im Zimmer ihrer Mutter. Die Tür zum Kleiderschrank stand offen, ebenso die Kammer. Die toten Ratten und den Gestank nach Verwesung ignorierend, schloss sie von innen die Schranktür. Dunkelheit umfing sie, was ihre Angst verstärkte. Schweiß brach aus jeder Pore ihres Körpers. Die Panikattacke stand in den Startlöchern. Hastig tastete sie sich an den Kleidern entlang in die Kammer und zog mit angehaltenem Atem die Tür zu. Durch die Zerstörungswut ihres Vaters passte sie nicht mehr richtig in den Rahmen und sie musste sie ein wenig anheben und zugleich Druck ausüben, um sie zu schließen. Während sie sich in die hinterste Ecke vortastete, stieß sie gegen etwas Weiches. Ein spitzer Schrei entfuhr ihr, den sie sofort mit ihrer Hand erstickte. Nur eine tote Ratte, Doreé .
    Von draußen drangen Laute zu ihr hinein. Der Einbrecher war oben angekommen und ging durch den Flur in Richtung ihres Zimmers. Natürlich suchte er dort zuerst. Durch einen Luftschlitz in der Decke drang ein Hauch Licht zu ihr hinein. Nachdem sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie die Umrisse ihrer Umgebung. An der gegenüberliegenden Wand lag etwas Großes, Weiches, vermutlich ein Kissen. Die toten Ratten zeichneten sich als schwarze Schemen vom Boden ab. Schneller als sie gehofft hatte, näherten sich die Schritte dem Schlafzimmer. Doreé drängte sich in die Ecke, eine Hand fest gegen den Mund gepresst, um das Wimmern zu unterdrücken, das aus ihrer Kehle drängte. Die andere drückte sie Halt suchend gegen die Wand. Schnaufend sog sie die Luft durch die Nase.
    Jemand öffnete die Schranktür. Ein hauchfeiner Lichtstreif fiel durch den Spalt zu ihr hinein.
    »Sorg dafür, dass sie sich nicht wehrt«, sagte eine sehr jung klingende, männliche Stimme. Verflucht. Sie wussten, dass sie sich in der Kammer befand. Sie hätte es wissen müssen. Vor dieser Dämonenbrut konnte man sich nicht verstecken. Die vertraute Enge in ihrer Brust verursachte ihr Schwindel. Ihr Körper schrie nach Luft. Sie nahm die Hand vom Mund und sog gierig den Atmen ein. Der Verwesungsgestank setzte sich wie ein muffiger Pelz auf ihre Zunge.
    Am ganzen Körper zitternd wartete sie auf das Erbeben der Tür. Stattdessen

Weitere Kostenlose Bücher