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ESCORTER (German Edition)

ESCORTER (German Edition)

Titel: ESCORTER (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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Lächeln ehrlich. Die Begrüßung seines Sohnes dagegen fiel weit weniger herzlich aus. Die beiden beäugten sich wie alte Feinde, die nach jahrelangem Schweigen nicht so recht wussten, was sie voneinander halten sollen.
    »Vater«, sagte David auf Deutsch und deutete ein Nicken an.
    »Môj syn«, sagte der Vater. Ein unbestimmter Ausdruck von Traurigkeit huschte über sein Gesicht. »Ako sa máte?«
    »Mám sa dobre«, erwiderte David.
    Betretenes Schweigen folgte. Unbehaglich blickte Doreé von einem zum anderen. Was auch immer zwischen David und seinem Vater stand, schien tiefer zu gehen als ein reiner Streit über die Berufswünsche seines Sohnes, wie David ihr im Auto hatte weiß machen wollen.
    Davids Vater fing sich als Erster oder zumindest rief er sich seine Pflichten als Gastgeber in Erinnerung. »Sicher ihr sein hungrig«, sagte er mit einem unverbindlichen Lächeln. »Ich haben kapustnica gemacht.«
    »Danke, Vater, aber wir würden uns zuerst gerne ein wenig frisch machen. Wir sind müde von der langen Fahrt«, sagte David.
    »Natürlich. Ich zeigen euch Zimmer«, erwiderte Jaromir. Er behielt sein Lächeln bei, doch jedem Wort, das zwischen Vater und Sohn gewechselt wurde, schien ein stiller Vorwurf inne zu wohnen. Jaromir humpelte voran und führte sie den schmalen, mit einer vergilbten Blumentapete geschmückten Flur entlang bis zur Tür am hinteren Ende. »Gastzimmer sein hier«, sagte er und deutete in den kleinen Raum.
    David sagte etwas auf Slowakisch, woraufhin sein Vater entschuldigend mit den Schultern zuckte und zu einer Erklärung ansetzte, die David mit einem schlichten »nie«, dem slowakischen Wort für nein, beantwortete bevor er sich Doreé zuwandte.
    »Vater sagt, entweder müssen wir uns ein Zimmer teilen, oder ich muss im Wohnzimmer auf dem Sofa schlafen.«
    Seinem Tonfall konnte sie entnehmen, dass er auf das durchgesessene Sofa keine Lust hatte.
    Sie reckte ihren Hals und warf einen Blick auf das altmodische Doppelbett. »Kein Problem. Das Bett ist groß genug für uns beide.«
    »Na dann, nach dir.« David machte eine ausladende Geste Richtung Zimmer.
    Jaromir setzte etwas auf Slowakisch nach und humpelte davon. Das Gästezimmer war einfach eingerichtet, aber überraschend sauber. Doreé hätte zumindest etwas Staub erwartet oder den muffigen Geruch eines ungenutzten Raumes und nicht ein nach Flieder duftendes, ordentlich gemachtes Bett, blühende Topfpflanzen auf dem Fensterbrett und ein Teller mit Keksen auf dem Beistelltisch.
    Sie stellte die Reisetasche an das Fußende des Bettes und zog den Reißverschluss auf. »Es ist so sauber und frisch hier. Wusste dein Vater, dass wir kommen?«
    David öffnete den alten Eichenschrank. »Nein. Er hat kein Telefon, deshalb konnte ich ihm nicht Bescheid geben. Seit dem Tod meiner Mutter hält er das Gästezimmer auf Vordermann. Keine Ahnung warum.«
    »Vielleicht hofft er auf deinen Besuch«, gab Doreé zu bedenken.
    David erwiderte nichts, doch Doreé spürte seine Anspannung. Hier zu sein, an diesem Ort, in der Nähe seines Vaters, behagte ihm nicht. Sie musterte ihn heimlich. Er stand mit dem Rücken zu ihr und stopfte seine Sachen in den Schrank mit einer Verbissenheit, als würde er hoffen, dass sich seine unangenehmen Gefühle verflüchtigten, solange er seine Kleidung nur grob genug behandelte.
    »Du hast mir nie erzählt, dass deine Mutter tot ist«, sagte Doreé. »Was ist passiert?«
    »Willst du dir unbedingt das traurige Leben anderer Leute aufhalsen? Ist das deine nicht traurig genug?«, entgegnete David, während er ein dunkelblaues Sweatshirt in den Schrank knüllte.
    Seine Worte verletzten sie. Nicht nur weil sie abweisend waren, auch weil er ihr Leben als traurig bezeichnete, was bei näherer Betrachtung zwar durchaus der Wahrheit entsprach, deswegen aber nicht weniger schmerzte.
    »Ich sehe es nicht als aufhalsen, sondern als Interesse an dir und deiner Familie.«
    Er schnaubte, wandte sich abrupt zu ihr um. »Heute Morgen hast du mir mein Auto geklaut und bist einfach verschwunden, nachdem du mich gestern den ganzen Tag mit Schweigen gestraft hast, weil ich dir nicht von den Gideonisten erzählt habe. So viel Interesse an mir kannst du nicht haben, sonst hättest du mit mir geredet, bevor du abgehauen bist.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte sie zornig an.
    »Ich verstehe, dass du sauer bist«, entgegnete Doreé. »Und du hast auch allen Grund dazu. Doch versuch es mal aus meiner Sicht zu sehen. Als

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