ESCORTER (German Edition)
bemerkte sie plötzlich eine Bewegung unter dem Türschlitz. Ein Schatten schob sich durch den Spalt wie pechschwarzer Rauch. Die Panik übermannte sie mit einer Intensität, die sie von den Füßen riss. Wimmernd rutschte sie an der Wand hinab, starrte auf die Schwärze, die sich in die Kammer schob, sich vor ihr erhob und lautlos näher kam. Ihr Blut schien zu gefrieren unter der Kälte, die das Gebilde ausstrahlte. Dunkle Linien eilten dem Schatten voraus, verwoben sich um ihren Körper wie ein Spinnennetz aus Dunkelheit. Ein länglicher Schatten löste sich aus dem Großen, bildete einen Arm mit einer Hand und Fingern. Wellenförmig bewegte er sich auf sie zu. Sie wollte etwas sagen, irgendetwas, doch jeder Laut gefror in ihrer Kehle. Nur ein jämmerliches Winseln drang aus ihrem Mund. Die Schattenhand glitt über ihre Beine. Doreé versuchte, sie wegzutreten, doch die Berührung machte ihre Beine schwer und kalt, sodass sie kaum in der Lage war, ihre Füße zu heben. Mit einem letzten Aufbegehren blickte sie zu dem Schatten auf, dorthin, wo ein Gesicht sein müsste. Sie fand weder Augen noch einen Mund, nur Dunkelheit.
Ihr Gesichtsfeld trübte sich. Jeden Augenblick würde sie ohnmächtig werden. Nur halb bekam sie mit, dass jemand schrie und die Tür erzitterte unter einem kräftigen Schlag.
* * *
Sie konnte nicht lange ohnmächtig gewesen sein, ein paar Sekunden nur, denn als sie die Augen aufschlug, sah sie, wie der Schatten unter dem Türschlitz verschwand. Etwas krachte gegen die Tür, gefolgt von einem Ächzen. Ein Mann stieß eine Verwünschung aus. David.
Zitternd rappelte sich Doreé auf, kroch zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Helles Licht zwängte sich in die Kammer und blendete sie. Mit einer Hand beschattete sie ihre Augen und spähte hinaus. David kämpfte mit einem rothaarigen, sommersprossigen Mann, der nicht älter sein konnte als sie. Der Schatten klebte an der Decke und versuchte halbherzig, Davids Arme zu erwischen, was ihm seltsamerweise nicht gelang. Sobald er auch nur in die Nähe von Davids Körper kam, zischte es und er wich zurück. David zog ein Klappmesser aus der Potasche seiner Jeans, ließ es aufschnappen und stieß es in das Herz des rothaarigen Jungen. Er hat ein Messer. Also doch! , schoss es Doreé unsinnigerweise durch den Kopf. Sie sah, wie der Schatten zurückschnellte, als hätte jemand die Verbindung mit einer Schere durchtrennt, und davonhuschte. Der Junge wankte. Blutiger Speichel quoll aus seinem Mund. Sein Shirt tränkte sich rasend schnell mit Blut. Scheinbar ungerührt zog David das Messer heraus, wischte es an der Hose des Jungen ab und steckte es zurück in seine Jeans. Nichts in seiner Miene verriet, was er empfand. Der Junge sackte in die Knie und stürzte dann kopfüber zu Boden. Doreé kauerte im Türrahmen, verwirrt, fassungslos und am Ende ihrer Kräfte. David trat zu ihr und ging neben ihr in die Hocke. »Alles in Ordnung? Bist du verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf. Zum Sprechen fehlte ihr die Kraft. David fasste sie unter den Arm. »Du stehst unter Schock. Komm, ich bring dich hier raus.«
Keine Vorwürfe, keine Fragen. Nichts. Ruhig und gelassen führte er sie nach unten. Wer war dieser eiskalte Killer und was hatte er mit David gemacht?
Doreés Knie schlotterten so sehr, dass sie Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
Vor der Haustür hielt David inne. »Wo hast du meinen Autoschlüssel?«
Nun klang doch ein Hauch von Vorwurf in seiner Stimme. Sie fischte ihn aus der Jeans und reichte ihm den Schlüsselbund. Dabei bemerkte sie das Veilchen unter seinem rechten Auge. Sicher eine Folge der Schlägerei mit Kurt.
Er öffnete die Beifahrertür und schob sie auf den Sitz. »Brauchst du noch etwas von drinnen, bevor wir fahren?«
»Meine Reisetasche«, murmelte sie.
»Und wo finde ich die?« Ganz eindeutig klang da Unmut aus seiner Stimme.
»In meinem Zimmer.«
»Warte hier. Ich bin gleich wieder da.« Er schlug die Beifahrertür zu und hechtete zum Haus.
»David«, rief sie durch die geschlossene Autotür hindurch.
»Ja?«
Eilig öffnete sie das Fenster einen Spaltbreit. »Würdest du bitte auch die schwarze Tasche vom Bett mitbringen? Und meine Sachen aus dem Bad?«
Er stieß einen genervten Seufzer aus. »Sonst noch was?«
Sie schüttelte den Kopf. Sein Verhalten verunsicherte sie. Bisher war er immer freundlich gewesen, nicht so grimmig und abweisend wie jetzt. Im Schlafzimmer ihrer Mutter hatte er eine
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