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Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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weil die Verwendung weiterer Buchstaben nicht sinnvoll erscheint. In Gedanken bei meiner Frau, der ich es nicht wert bin, wenigstens ihren Namen für mich auszuschreiben. In Gedanken bei meiner Frau, die mir etwas erklären muss. In Gedanken bei meiner Frau, die mir das alles hier eingebrockt hat. Den Speck ziehe ich ab, der ist wirklich gut, aber damit hat meine Frau auch nichts zu tun. Sie kann auch keinen Speck braten. Entweder bleibt er zu labbrig, oder er ähnelt einer Schiene Lakritz. In Gedanken bei meiner Frau, der ich heute keine Mail schicken werde, und einen Anruf wird sie auch nicht von mir bekommen. Nichts!
    Elli schaut mich an.
    »Is’ was?«, frage ich sie.
    »Nö, is’ nur komisch«, sagt Elli.
    »Wieso, was?«
    »Die meisten machen kein Auge zu.«
    »Ich schon, ich habe ja Urlaub.«
    »Noch Hunger?«
    »Danke.«
    »Hätte mich auch gewundert. Sie haben ganz schön zugeschlagen.«
    »Finden Sie?« Ich weiß nicht, wann ich zum letzten Mal in meinem Leben so viel gefrühstückt habe.
    »Man könnte meinen, Sie kriegen zu Hause nichts.«
    Was stimmt, Karin kocht nicht gerne, jedenfalls nicht für mich, nur weil ich sie das eine oder andere Mal kritisiert habe. Karin ist an der Stelle übertrieben empfindlich. Einmal habe ich ihr gesagt, dass der liebe Gott das Salz nicht nur erfunden hat, um es im Winter auf die Straßen zu streuen, schon war sie beleidigt.
    »Warum, ich esse immer so viel. Wer sich bewegt, muss essen.«
    »Dachte, Sie sind Lehrer?«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Bewegen? Lehrer?«
    Warum soll ich das kommentieren, sie hat ja recht. Lehrer bewegen sich zum Lehrerzimmer, zur Klasse und nach Hause, dazwischen sind sie ein Opfer der Gravitation. Unbeweglich, auf dem Boden verankert. Ich habe auch direkt nach der Verbeamtung aufgehört, mich zu bewegen.
    »Kaffee?«
    »Nein, danke. Die Tasse ist ja noch voll.«
    »Nicht Sie, die Dame.«
    »Welche …«
    Bevor ich verstehe, welche Dame gemeint ist, sehe ich sie. Ein weiterer Gast: mein Alter, ausgeruht, frisch geduscht und gefönt, ein rot-weiß kariertes Baumwollblüschen, knielange Caprihose in Dunkelblau (neu!), Wanderstiefel (alt!), ein keramikweißes Lächeln und eine Stimme, die so unnatürlich mädchenhaft klingt, dass sich bei mir die Haare aufstellen. Sie klingt, als würde einer meiner Schüler gerade mit voller Absicht und pubertärer Kraftmeierei ein Stück frischer Kreide über die Tafel ziehen. Eine Stimme, die Glas schneiden kann, in jeder Dicke.
    »Morgen! Gerne, mit Milch, bitte«, schabt die Stimme, die mindestens so alt ist wie ich und ganz dringend einen Stimmtrainer aufsuchen sollte.
    »Ist hier noch frei?«
    Die Stimme deutet auf den Platz, der mir gegenüberliegt.
    Ich nicke, und Elli beeilt sich, ein frisches Gedeck auf
meinen
Tisch zu stellen.
    Es gibt Menschen, die nichts mehr hassen, als uninspirierte Gespräche am frühen Morgen. Ich bin so einer. Elli hat damit nichts zu tun und schenkt der Stimme ihren Kaffee ein.
    »Schön hier, oder?«
    So klingt ein typisch uninspirierter Gesprächsanfang von Menschen, die niemals freiwillig die Nähe des jeweils anderen suchen würden. Das gilt jedenfalls für mich. Was auch immer man auf eine solche Frage antwortet, es ist der Anfang eines Gespräches, das ich nicht führen will.
    »Ja«, antworte ich.
    Ich schiebe mir den Speck in den Mund und achte darauf, dass sein Fett meine Lippen zum Glänzen bringt und zwei kleine Fettbächlein an den Rändern herabtropfen. So was sieht niemand gerne, der sein Frühstück noch vor sich hat. Karin wäre jetzt aufgestanden, um mir ein Stück Haushaltstuch zu holen. Die Stimme hat damit kein Problem. Sie schaut meinen gut verschmierten Fettmund an, als gäbe es nichts Schöneres auf dieser Welt.
    »Machen Sie die Tour zum ersten Mal?«
    »Welche?«
    »Die Eseltour.«
    »Ja.«
    »Ich bin schon zum dritten Mal hier.«
    Mir war entgangen, dass im Stall noch ein weiterer Esel war. Und Friedhelm anscheinend auch. Er hätte doch sonst reagiert.
    Die Stimme hat mein Interesse provoziert. »Wo ist denn Ihr Esel?«
    »Inge?«
    »Wenn er so heißt?«
    »Sie. Ich habe eine Eselin. Die Jahre davor habe ich es mit Eseln versucht, aber das ist nix, die haben ihren ganz eigenen Kopf. Männer halt.«
    Freut mich zu hören. Und ich werde ihr nicht den Gefallen tun und über diese Genderproblematik diskutieren. Hatte ich eigentlich eine Auswahlmöglichkeit bei der Eselübergabe? Und wenn, hätte ich dann so was wie Inge genommen? Mit Inge durch

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