Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
Vom Netzwerk:
die Uckermark, bitte nicht, wenigstens
das
habe ich richtig gemacht.
    »Inge ist auf der Weide, im Sommer hat so ein Tier nichts im Stall zu suchen«, erklärt die Stimme, ganz Fachfrau. »Auch nachts nicht!«
    »Und Sie? Haben Sie auch auf der Weide geschlafen?«
    Elli hat das mitbekommen und weiß genau, was mein fragender Blick zu ihr bedeutet.
    »Wir haben hier nur ein Gästezimmer«, erklärt Elli.
    »Und das ist wirklich schön«, ergänzt die Stimme.
    »Na dann«, murmele ich teilnahmslos.
    Den nächsten Zielpunkt werde ich früher erreichen. Ich werde keine Nacht mehr in einem Stall verbringen. Ich habe lange genug auf einen gewissen Standard hingearbeitet, und den werde ich mir nicht zerstören lassen, nicht von den Lebewesen der Uckermark.
    »Ich heiße Sabine«, sagt die Stimme und hält mir ihre Hand hin, die in diesem Leben anscheinend noch nichts anderes getan hat, als irgendwohin gehalten zu werden.
    »Björn Keppler.«
    Wir schütteln uns die Hände, für meine Begriffe eine Spur zu lang.
    »Wir duzen uns alle auf der Strecke.«
    »So?«
    »Ja, Eselfreunde unter sich.«
    »Ich bin kein Eselfreund.« Das sage ich mit dem Brustton der Überzeugung.
    »Das glaube ich nicht.«
    »Können Sie!«
    »Wir duzen uns«, korrigiert Sabine mit einem Kleinmädchenlächeln.
    »Ja-ha, die Eselfreunde vielleicht, aber ich bin ja keiner.«
    »Macht nichts, früher oder später werden alle Eselfreunde.«
    »Noch jemand Kaffee, ich mach’ sonst die Maschine aus«, sagt Elli.
    »Für mich nicht, danke«, antworte ich höflich.
    »Für mich auch nicht, danke«, antwortet Sabine, die Eselfreundin.
    In Gedanken bin ich jetzt wieder bei meiner Frau und überlege mir, sie doch anzurufen, um mich für das alles hier zu bedanken. Keine gute Idee, sie soll ruhig mal schmoren, jetzt darf
sie
sich mal Gedanken machen. Ich krame mein Handy raus und schalte es ab. Tja, Karin, wer nicht hören will …
    »Ich würde das Handy nicht ausmachen«, rät mir Sabine.
    »Warum? Müssen Eselfreunde immer erreichbar sein?«
    »Ja. Aus reiner Sicherheit.«
    Die ernste Miene, die Sabine nun aufsetzt, lässt keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meint.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Du.«
    »Wie meinst DU das?«
    Sabine holt tief Luft, ich rechne mit einem längeren Referat.
    »Letztes Jahr ist Jochen mit Gandalf gegangen …«
    »Nee, das war nicht Gandalf, das war Frodo«, korrigiert Elli.
    »Stimmt, Frodo. Ja. Also der Jochen ist mit Frodo gegangen, und zwischen Großhedlitz und Kleinmüllitz am Oberduckersee, da ist der Frodo plötzlich durchgedreht …«
    »War das nicht in Neupresslau?«, fragt Elli vorsichtig.
    »Nee, in Neupresslau war das mit Jutta«, sagt Sabine.
    Ich bin ganz ruhig.
    »… also der Frodo ist durchgedreht, wahrscheinlich hat ihn irgendwas gestochen.«
    »Und?«
    »Hatte sein Handy aus.«
    »Ja, wo ist das Problem?«
    »Jochen hatte den Strick noch in der Hand, und Frodo hat ihn mitgeschleift.«
    Elli nickt und senkt ihren Blick auf den alten Steinboden des Reißerhofes.
    »Ist er …?«, frage ich.
    »Ja.«
    »Tot?«, frage ich weiter.
    »Nein«, antwortet Elli.
    »Bis nach Kleinmüllitz hat der Frodo den Jochen geschleift. Wenn er sein Handy nicht ausgeschaltet hätte, dann hätte er Hilfe holen können.«
    Elli und Sabine nicken mich an.
    »Hilfe ist gut, wen hätte er denn anrufen sollen?«
    »Einen Eselfreund«, schlägt Sabine vor.
    »Gibt es hier jede Menge«, ergänzt Elli.
    »Ich lass’ mein Handy trotzdem aus. Ich geh’ auf volles Risiko.«
    »Dann sollten wir vielleicht besser zusammen gehen«, schlägt Sabine vor.
    »Besser nicht, ich muss das hier allein durchziehen.«
    »Das ist keine gute Idee, wir gehen zusammen.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Nein.« Ich werde lauter.
    »Sie hat recht«, sagt Elli, ganz leise, aber sehr bestimmend, »zusammen ist besser.«
    »Auf keinen Fall!«

11. Die Inkonsequenz trägt keine Wanderschuhe
    Immer wieder beißt Friedhelm Inge in den Hals, er kann sie nicht leiden, und ich wünsche mir, ich könnte es ihm gleichtun und Sabine auch beißen. Einfach so, in ihren sonnencremeverschmierten Hals oder sonst wohin.
    Inge grunzt nur abfällig und tritt dabei kurz mit den Hinterläufen aus, mehr nicht. Für eine Gebissene erträgt sie Friedhelms Beißattacken ziemlich gelassen.
    Wir wandern über einen alten Knüppeldamm, so nennt der Märker, wie mir Sabine mit leicht angeberischem Unterton gleich zu Anfang verriet, diese Feldsteinstraßen. Links und rechts säumen Linden und

Weitere Kostenlose Bücher