Esel
zurückgekommen, um dein Portemonnaie zu holen?« Ihre Stimme klingt mit einem Mal ganz normal, weich, melancholisch, fast traurig.
Günter will mir helfen. »Soll ich euch noch ein Lunchpaket machen?«
Warum sagt er »euch«?
Sabine schüttelt traurig den Kopf. Und ich tue es ihr gleich. Nach Essen ist mir nun gar nicht.
»Dann heißt das jetzt wohl auf Wiedersehen?«, fragt Sabine.
Wenn ich ihr jetzt die Wahrheit sage, habe ich die Feigheit besiegt und einen Menschen verletzt.
Ich oder sie.
Entscheidung in der Uckermark.
Ich!
»Ja, das heißt es, Sabine. Auf Wiedersehen!«
Was ich gesagt habe, fühlt sich gut an. Es gibt ein Recht auf Egoismus. Das gilt überall auf der Welt, auch in der Uckermark.
MAILVERKEHR
Björn,
die Waschmaschine ist kaputt.
Karin
Gesendet vom Handy – 9:03 Uhr
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Hallo, Karin,
habe noch nicht gefrühstückt. Ist es schlimm? Ich meine, das mit der Waschmaschine?
Dein Björn
Gesendet vom Handy – 9:07 Uhr
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Sie schleudert nicht mehr.
K.
Gesendet vom Handy – 9:11 Uhr
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Karin, ruf doch bitte bei Elektro Baumann an, die schicken einen Mechaniker. Ich kann von hier aus nichts sagen.
Björn.
Gesendet vom Handy – 9:14 Uhr
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Glaube nicht, dass es Sinn macht. Muss jetzt los.
K.
Gesendet vom Handy – 9:20 Uhr
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Wohin?
B.
Gesendet vom Handy – 9:23 Uhr
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Karin, ich bin’s noch mal, habe keine Antwort bekommen. Wollte nicht neugierig sein. Du willst bestimmt zum Sport. Ich rufe dich von unterwegs aus noch mal an, dann können wir ja alles besprechen. Heute wird es bei mir bestimmt sehr anstrengend, bin jetzt schon kaputt, aber das Wetter ist gut, und die Landschaft wird es bestimmt auch. Muss jetzt gerade noch mal daran denken, als wir die Waschmaschine gekauft haben. Weißt du noch? Die hat ja lange gehalten, hattest recht, und wenn sie nicht mehr zu reparieren ist, dann kaufen wir noch mal das Modell. Lieber einmal richtig investieren, als irgendeinen Schrott kaufen.
Bis später
Dein Björn
Gesendet vom Handy – 9:35 Uhr
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… noch was, wenn ich nicht direkt antworte, kann es sein, dass ich kein Netz habe. Nicht böse sein, okay.
Wir reden ja später.
Björn
Gesendet vom Handy – 9:43 Uhr
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… und wenn es dieses Modell nicht noch mal gibt, dann eben das Nachfolgemodell, hat jetzt bestimmt auch eine bessere Ökobilanz. Egal, wir schauen mal!
Dein
Björn
Gesendet vom Handy – 9:50 Uhr
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Der Esel ist gesattelt, die Sonne scheint, auf geht’s!
Dein
Björn
Gesendet vom Handy – 9:59 Uhr
19. Alles kaputt? Schluss mit Schleudergang? Es regnet.
Es gießt in Strömen. Entweder weint der liebe Gott vor Lachen, weil er meine Mails an Karin gelesen hat und es wahnsinnig lustig findet, wie ich mich bei meiner Frau zum Deppen mache, oder dieser Ost-Monsun liefert die meteorologisch passende Tapete zu meiner Stimmung. Ich fühle mich wie ein begossener Pudel. Nicht weil ich Karin angelogen habe, sondern weil ich so bescheuert hartnäckig war, ihr auch noch ständig hinterherzuschreiben.
Der Weg, den ich nun schon zum zweiten Mal gehe, hat sich in eine mittlere Flusslandschaft verwandelt. Friedhelm und ich lassen die Ohren hängen. Der Himmel über der Uckermark ist schwarz wie die Nacht. Und meine Gedanken sind es irgendwie auch.
Ich denke ständig an die Waschmaschine und an Karin. Immer in dieser Reihenfolge. Was, wenn wir uns keine Waschmaschine mehr kaufen? Weder das alte Modell noch das neue mit der verbesserten Ökobilanz. Was, wenn Karin sich längst nach einer anderen Maschine umgesehen hat, die sie allein kauft? Für sich! Mit einem Schleudergang, der nur ihre Unterhosen wirbelt? Einem Schongang, der ausschließlich ihre wunderschönen Blumenblusen reinigt statt meiner langweiligen Hemden? Karin findet alle Hemden von mir langweilig. Ich nicht. Aber das spielt nun keine Rolle. Ich sehe vor mir eine kleine Waschmaschine, die nie etwas von mir waschen wird. Ich sehe eine Waschmaschine ohne mich, in einer Wohnung ohne mich. Ich sehe ein Bett ohne mich und vor allem eine Frau ohne mich.
Der Regen klatscht mir ins Gesicht, und die Feuchtigkeit spüre ich schon gar nicht mehr. Vielleicht muss das so sein, wenn man die ganze Zeit nur an eine Waschmaschine denken kann und an seine Frau. An Karin, die um 9.20 Uhr los musste, und ich weiß noch immer
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