Esel
haben, oder? Ist doch wirklich kein Problem, machen wir einfach!«, schlägt Steffen vor.
»Bitte, wenn wir zu Hause sind, ist es elf …«
»Na und?«
Warum können Frauen manchmal einfach nicht erkennen, was ihre Männer ihnen sagen wollen, auch wenn sie dabei nicht sprechen.
»Ich mache euch noch ein schönes Brot mit Leberwurst, und dann nehmt ihr euch noch ein Bier aus dem Kühlschrank, okay. Warme Küche ist heute Abend nicht mehr. Tut mir leid, echt nicht. Und außerdem ist der Jochen im Urlaub.«
Markus’ Miene verfinstert sich, und die Konsequenz von Gundulas Hähnchenabsage ist extremer, als ich sie mir je hätte vorstellen können … ich hätte mit allem gerechnet, nur nicht mit …
MAILVERKEHR
Hallo Björn,
ein paar Dinge sind wirklich blöd gelaufen, wir sollten reden.
Karin
Gesendet vom Handy – 20:16 Uhr
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Hallo, Karin,
bin auf dem Weg zur Luisenmühle, kann jetzt nicht. Wirklich!
Björn
Gesendet vom Handy – 20:18 Uhr
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Ich rufe dich an.
Gesendet vom Handy – 20:19 Uhr
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Nein!
Gesendet vom Handy – 20:21 Uhr
33. Der Fall Markus
… sein Kopf liegt auf meinem Schoß. Markus weint.
Wir sitzen auf der Rückbank des Minivans, der nicht nur schon bessere Zeiten gesehen haben muss, sondern hoffentlich auch bessere Straßen. Wir ruckeln über etwas, das den Begriff Straße eigentlich nicht verdient hat. Es ist ein Weg, in dessen Mitte eine braune Grasnarbe liegt und an den beiden äußeren Rändern plattgewalzter Schotter. Ein Panzer hätte sein Vergnügen, ein Minivan nicht. Fast scheint es so, als hätte hier niemand ein echtes Interesse, die Straße wirklich befahrbar zu machen. Wahrscheinlich gibt es nichts, was diese Straße tatsächlich leisten soll. Es würde mich nicht wundern, wenn sie in keinem Navigationsgerät der Welt gespeichert wäre.
Und dieser Mann, auf dessen zuckenden Hinterkopf ich seit einiger Zeit starre, weint, nur weil es keine Hähnchen mit Pommes gibt. Unfassbar.
Steffen und Gundula, die beide vorne sitzen, wirken so steif, als hätte sie jemand festgetackert. Ohne die ständigen Bodenwellen und Schlaglöcher sähen sie aus wie Schaufensterpuppen, die jemand einfach so in ein fahrendes Auto gesetzt hat.
In meinem ganzen Leben habe ich nie eine ähnliche Situation erlebt. Ein vorbestrafter Mörder heult mir den Oberschenkel voll und verkrampft sich mit seiner Hand in meiner Wade. Einer Hand, die Dinge getan hat, die eine Hand nicht tun darf. Ich lasse es geschehen, irgendeinen Sinn wird das alles haben. Wenn doch jetzt bloß jemand sprechen würde. Die Stille ist unerträglich.
Mit meiner rechten Hand habe ich gerade eben noch die Mail von Karin beantwortet, mit der ich nun wirklich nicht sprechen kann. Sie würde es verstehen, wenn sie mich hier sehen könnte, verkrampft, ratlos, hilflos und so ganz unpädagogisch auf der Rückbank des japanischen Minivans. Ich sehe das Ortseingangsschild von Mimpitz, und keine zehn Sekunden später saust das Ortsausgangsschild an mir vorbei, während ich mit der linken Hand den Kopf von Markus streichele.
Dann räuspere ich mich.
Steffen und Gundula zucken kurz auf, in der Hoffnung, dass nun etwas passiert, was die Anspannung und Peinlichkeit dieser Situation in eine Richtung schiebt, die das alles hier für uns erträglicher macht.
Ich muss sie enttäuschen, mehr als ein vorsichtiges Räuspern bekomme ich nicht hin.
Und Markus weint.
Wir fahren durch Ostmimpitz, Bereckendorf, Heinersfelde, Eppingsfelde, Halverscheid, Dittricherow, Zahnow, Stefansrode, Georgsbückerode, Klausenhintenitz, Sachsenergerd, Herrkaneinitz, Blockerode, Husemeyeritz und noch ein paar andere Ansammlungen von Häusern, die gleich ganz auf Ortsnamen verzichten. Wir fahren und fahren, schweigend, bis auf Markus, der schluchzt und weint und seinen Hinterkopf zucken lässt. Dann endlich erscheinen die Lichter der Luisenmühle.
»Wir sind da«, sagt Gundula so behutsam es geht.
Steffen macht den Wagen aus und schaut zu Gundula. Sie weiß inzwischen, wer Markus ist, ich hab’ die beiden tuscheln sehen, als ich den wimmernden Gewaltverbrecher vom Floß zum Auto begleitet habe.
Die beiden schauen nun zu mir, und ich lenke ihren Blick auf Markus, der, was soll er auch sonst tun, noch immer weint.
»Ähm, Markus? Wir sind da«, sage ich.
Markus weint.
»Sollen wir nicht reingehen?«
Markus weint.
»Ich kann uns eine Hühnersuppe machen«, schlägt Gundula vor.
Markus
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