Esel
ich Hähnchen mit Pommes. Vielleicht sollte ich erklären, dass ich alles hasse, was sich in der Luft bewegt. Mücken, Fliegen und Vögel. Auch wenn Hühner nicht richtig fliegen können, hasse ich sie trotzdem. Allein schon, weil sie es theoretisch könnten, sie sind ja nun mal Vögel.
»Hähnchen, ehrlich gesagt, ich …«
Markus wertet das als Zustimmung. »Dann nehmen wir zweimal Hühnchen mit Pommes.«
Markus verschränkt jetzt die Arme vor der Brust. Kompromissbereitschaft sieht anders aus.
»Okay, machen wir, zweimal Hähnchen mit Pommes. Es gibt nur ein kleines Problem«, sagt Steffen.
Markus geht nun einen kleinen Schritt auf Steffen zu. Die Arme immer noch fest verschränkt.
»Es gibt keine Probleme, es gibt nur fehlende Lösungen.«
So einen intelligenten Spruch hätte ich Markus nie zugetraut. Wahrscheinlich hat er ihn von seinem Bewährungshelfer oder aus einem Ratgeber zur Vereinfachung des Lebens. Solche Bücher stehen bestimmt haufenweise in den Gefängnisbibliotheken.
»Wir haben keine Hähnchen.«
So was steht natürlich in keinem Ratgeber. Es sei denn, der Ratgeber
Tausend Möglichkeiten, um mal richtig was auf die Fresse zu bekommen
ist schon geschrieben worden. Falls ja, gibt es ihn bestimmt in keiner Gefängnisbibliothek. ›Wir haben keine Hähnchen‹, das muss man sich wirklich trauen. So was Markus ins Gesicht zu sagen ist ganz sicher sehr riskant.
»Dann holen wir eben welche.«
Markus ist weitaus weniger aufgeregt oder sauer, als ich es vermutet hätte.
»Gute Idee. Eigentlich. Aber wo sollen wir um diese Zeit noch Hühnchen holen?«
»Hähnchen.«
»Hühnchen, ja, natürlich. Aber die sind auch sehr schwer aufzutreiben, um diese Zeit.«
»Wir können ja auch was anderes essen, hm, Markus?«
»Du willst doch Hühnchen.«
Wie soll er wissen, was ich wirklich will.
»Ja, schon, aber ich könnte auch mit was anderem leben.«
»Wenn du Hühnchen mit Pommes willst, dann kriegst du auch Hühnchen mit Pommes.«
Wie oft habe ich mir gewünscht, dass Karin sich mal so für mich einsetzen würde.
In Großwandlitz ist unsere Floßfahrt beendet. Das Vertäuen der Seile am Steg erledigt Steffen nervös, als würde er es zum ersten Mal machen und nicht täglich wie immer in der Saison. Ständig fällt sein Blick auf mich und meinen Schatten. Markus weicht mir seit einer Stunde nicht von der Seite und quatscht mich voll. Aber was soll ich machen, Schülern, die mich nerven, kann ich drohen, ihm nicht. Ich bin dazu verdammt, ihm zuzuhören, und was noch schwerer ist, ich muss ihm auch noch das Gefühl geben, mich für seinen gesammelten Blödsinn zu interessieren.
»Einen Porsche mit Anhängerkupplung finde ich cool.«
»Super.«
»Sex geht auch ohne Liebe.«
»Natürlich.«
»Doc Martens Schuhe haben immer eine Stahlkappe.«
»Echt, wusste ich gar nicht.«
»Bücher braucht keine Sau.«
»Korrekt.«
» RTL ist das beste Fernsehen.«
»Meine Meinung.«
»Jesus kam eigentlich aus Belgien.«
»Habe ich auch mal gelesen.«
»Das war ein Witz.«
»Natürlich, den muss ich mir merken.«
Und so weiter und so weiter. Markus quatscht und quatscht, springt thematisch von einem Schulausflug in die Eifel zu streng katholischen Iren, die angeblich alle mindestens vier Kinder haben, rein statistisch. Korrekte Fakten sind Markus nicht wichtig, solange er quatschen kann.
Am Ufer wartet Gundula auf uns, um uns in ihrem Minivan nach Hause zu bringen. Die nun vollständig alkoholisierten Mitreisenden feiern den Sieg über das Bierfass, das sie wie einen erlegten Bären vor sich hertragen, um allen zu beweisen, wie erfolgreich ihr Kampf gegen das böse, böse Bier war.
Wie das Floß nach Hause kommt, ist mir egal, und Steffen muss ähnlich denken, obwohl er bestimmt genau weiß, wie. Aber jetzt gibt es Wichtigeres als ein Floß, das nach Hause muss.
Das Wichtigste hier und jetzt sind Hähnchen mit Pommes.
»Und, war’s schön?«, will Gundula von uns wissen.
Markus und ich nicken synchron.
»Du, Gundula, können wir auf dem Weg vielleicht bei Jochen vorbei?«, will Steffen von seiner Frau wissen.
»Warum das denn?«
»Ein paar Hähnchen mitnehmen?«
»Jetzt noch?«
»Die beiden würden gerne gleich noch Hähnchen mit Pommes essen. Bitte.«
Markus lächelt sie an.
»Das tut mir leid, aber um diese Zeit haben wir die Küche leider zu«, sagt Gundula mit Blick auf Markus.
»Du, Gundula, wir können sie ja wieder aufmachen. Kein Problem, wenn die beiden doch Hunger
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