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Esel

Esel

Titel: Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gantenberg
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eigentlich ganz freundlich, kein Grund also, zu sehr in Angst zu versinken.
    »Mal sehen, vielleicht bleibe ich noch einen Tag.«
    »Gehst du jetzt allein?«
    »Ja.«
    »Sollen wir zusammen gehen, ich bleib’ vielleicht auch noch ’n Tag, dann könnten wir ja morgen zusammen … hm?«, schlägt Markus vor.
    Ich sitze in der Falle. Gedankenblitze zucken durch mein Hirn. Wie komme ich aus der Nummer raus? Egal wie, Hauptsache lebendig!
    Angst! Angst! Angst!
    »Wir beide?«, frage ich zögerlich.
    »Siehst du noch jemanden?«
    »Tja, warum eigentlich nicht, zu zweit macht es bestimmt mehr Spaß.«
    Spaß? Mit einem, der garantiert mehr Respekt vor einer alten Eseldecke hat als vor einem Lehrer für Englisch und Geschichte.
    Statt ihm genau das zu sagen, setze ich auf einen völlig unbegründeten, dualen Spaßfaktor. Bin ich jetzt völlig bescheuert.
Warum eigentlich nicht?
Mir fallen tausend Gründe ein, die dagegen sprechen, mit diesem Irren und unseren Eseln durch die Gegend zu marschieren. Der Wunsch, meine Pension noch zu erleben, ist nur einer davon. Hier wimmelt es von einsamen Pfaden und Wäldern, die danach schreien, zu einem Tatort zu werden, der so schnell nicht entdeckt werden wird. Abgesehen von einem Förster habe ich während meiner ganzen Wanderung noch keinen anderen Ordnungshüter getroffen. Man wird mich erst dann finden, wenn meine Körperfarbe sich der des Farns angepasst hat, in dem mich Markus sehr lieblos versteckt hatte.
    »Freut mich«, sagt Markus.
    »Gerne.«
    »Wo schläfst du?«
    »Luisenmühle.«
    »Gehört Steffen, ne?«
    »Mhm. Und seiner Frau.«
    »Nett.«
    »Finde ich auch.«
    Prima, jetzt werde ich auch noch die Nacht vor meinem Ableben mit diesem Eselpsycho verbringen.
    »Wo schläfst du genau?«, will Markus wissen.
    »Äh, wie genau meinst du das?«
    »Was ist denn daran so schwer zu verstehen?«
    Meine Zimmernummer bekommt er nicht. Auf keinen Fall.
    »Siebzehn«, antwortet der Teil von mir, den ich ganz augenscheinlich nicht mehr im Griff habe.
    »Achtzehn.«
    »Hey, sind wir ja Nachbarn.«
    »Ja«, antwortet Markus so begeistert, wie meine Freude über meinen neuen Zimmernachbarn ist.
    Steffen kommt zu uns. Ich weiß nicht, ob er mir helfen will oder ob es nur die Sorge um sein Floß ist. Was auch immer, schön, dass er da ist.
    »Na, alles klar?«
    »Wir schlafen nebeneinander«, erklärt Markus ungefragt.
    »Hey!«, kommentiert Steffen, unbegründet begeistert. Und klatscht dann auch noch in die Hände. Was soll das?
    »Morgen marschieren wir auch zusammen.«
    »Hui!«
    Steffen klatscht erneut, und über Markus’ Gesicht huscht ein Lächeln wie bei einem kleinen Jungen, dessen Vater gerade den Bau einer Sandburg übertrieben lobt. Ich bin mir nicht sicher, aber kann es sein, dass Markus wirklich richtig stolz und glücklich darüber ist, mit mir zu wandern? Tue ich ihm Unrecht? Ist er eine von diesen armen Seelen, denen ein bisschen Zuwendung fehlt und Respekt? Oder hat er nur ein außergewöhnliches Mitteilungsbedürfnis, wie es Menschen haben, die entweder nicht sehr viel mitzuteilen haben oder schlichtweg zu wenig Möglichkeiten. Er hat bestimmt in einer Einzelzelle gesessen. Isolationshaft. Im berühmten Trakt Soundso, den jedes Gefängnis hat. Dort, wo die harten Jungs sitzen, die ganz harten.
    »Heute Abend wollen Björn und ich noch was bei euch essen.«
    Was wollen wir? Da weiß ich nichts von. Und da will ich auch nichts von wissen.
    »Stimmt’s, Björn?«
    »Klar.«
    »Ähm, ja, das ist jetzt nur so, wenn wir nach Hause kommen, dann ist die Küche bei uns eigentlich schon zu«, sagt Steffen und rudert hilflos mit den Armen, die komischerweise viel untrainierter aussehen, als ich es mir bei einem Floßkapitän vorgestellt hätte. Körperliche Arbeit haben diese Arme nicht oft gesehen und noch weniger verrichtet.
    »Dann machen wir die Küche eben wieder auf«, sagt Markus.
    Steffen überlegt. Einen Vorschlag von Markus lehnt man nicht einfach ab, das hat Steffen mittlerweile auch schon begriffen.
    »Gute Idee«, antwortet Steffen.
    »Weiß ich. Was willst du essen, Björn?«
    Nichts. Ich habe keinen Hunger, und wenn ich an morgen denke, könnte ich mir vorstellen, nie wieder Hunger zu haben.
    »Och …«
    »Musst du schon sagen.«
    »Ich nehm’, was kommt.«
    »Hühnchen mit Pommes«, schlägt Markus vor.
    »Hui …«, sagt Steffen und rudert jetzt noch hilfloser mit den Armen.
    »Du auch?«, will Markus von mir wissen.
    Ich hasse Hähnchen, und noch mehr hasse

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