Esel
was soll das denn sein?
»Haben mich motiviert. Klasse! Muss ich immer noch sagen.«
»Und wie?«
»Was?«
»Wie haben die Lehrer Sie motiviert?«
Paul-Elmar lächelt. »Ganz einfach. Die haben mir gezeigt, dass Lernen Sinn macht.«
Das habe ich auch versucht.
»Ich habe dann sogar eine Klasse übersprungen.«
Der verarscht mich doch.
»Aber es sind ja leider nicht alle Lehrer so.«
Ja, das stimmt. Ich zum Beispiel.
»Wissen Sie, was ich denke: Wenn einer kein Lehrer werden will, dann soll er was anderes machen. Aber wenn einer sich das antut, dann richtig.«
Er hat recht. 27 Kilometer vor Flieth-Stegelitz bringt ein fremder Mensch es auf den Punkt.
»Was haben Sie nach dem Abitur gemacht? Sie haben doch Abitur?«
»Ich habe Medizin studiert, in Marburg. Direkt nach der Wende.«
Alles klar, diese Hände, die eben noch T-Träger verbiegen konnten, sollen Medizinerhände sein?
»Und dann?«
»Famulatur in Heidelberg.«
Natürlich.
» PJ in Hamburg. Dann ein Jahr Assistenzarzt in Dessau.«
»Haben Sie nicht gesagt, Sie seien Kartoffelbauer?«
»Ja, habe ich.«
»Ach, und nebenbei sind Sie Arzt?«
»Nö.«
Paul-Elmar grinst. Er versteht, dass ich da nicht mehr mitkomme.
»Vor einem Jahr ist mein Vater gestorben, da habe ich den Hof übernommen. Von einem Tag auf den anderen.«
»Einfach so?«
»Na ja, eine Nacht habe ich schon drüber geschlafen und mir nur eine Frage gestellt: Was willst du? Wenn Sie diese Frage für sich beantworten können, dann kommt alles andere von ganz allein.«
Was willst du? Was willst du? Was willst du?
Dann ist auch die Antwort auf »Wer bist du?« … »Wen liebst du?« ganz einfach. Sie kommt, ohne nachzudenken. Sie ist da. Und wenn nicht, dann gab es auch nie eine Antwort.
An uns rauscht erst Dokorow, dann Neuzellerode und schließlich Hültlin vorbei, dann sehe ich das Ortseingangsschild von Flieth-Stegelitz, und jetzt ist mir endgültig alles klar.
Endlich.
Was willst du? Ich habe nicht nur diese Frage vergessen, ich habe auch vergessen, dass es darauf eine Antwort gibt. Und dass bereits die Suche nach dieser Antwort das Ticket zum Glück sein kann.
Jetzt erinnere ich mich daran.
Es ist nicht zu spät. Es ist nie zu spät.
Ich weiß jetzt, was ich will.
»Paul-Elmar? Können Sie mal kurz halten?«
»Klar.«
Ich zücke mein Handy und suche die Seite von eBay, denn einen Teil von dem, was ich will, muss ich nun ganz dringend ersteigern.
»Alles klar?«, will Paul-Elmar von mir wissen.
»Klarer geht’s nicht!«
»Na dann. Was dagegen, wenn ich das Fenster wieder aufmache?«
»Nee.«
»Braucht der eigentlich mal Wasser?«
Ich schaue in den Rückspiegel und sehe Friedhelm, der zufrieden auf der Ladefläche des kleinen Lkws steht und sich wundert, dass er zum ersten Mal in seinem Leben die Strecke zurück nach Flieth-Stegelitz nicht laufen muss.
»Ich glaube nicht, er hätte sich gemeldet. Esel wissen immer ganz genau, was sie brauchen, die melden sich.«
»Schlaue Tiere.«
»O ja, sehr schlau.«
42. Soljanka und glücklich werden
»Ich weiß nicht, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht«, sagt Bärbel und wirft einen Blick auf Friedhelm.
Dann wuschelt sie ihm über seinen Kopf und klopft sanft auf seine Flanke. Friedhelm verhält sich neutral, was ich ihm hoch anrechne. Immerhin ist Bärbel sein Frauchen, oder wie auch immer man die Besitzerin eines Esels nennt.
»Würden Sie sich denn Gedanken machen?«, frage ich.
»Mich hat das noch nie einer gefragt. Die meisten kommen zurück, geben ihren Esel ab und gut. Sie sind der Erste, der seinen Esel kaufen will.«
Friedhelm nickt. Ganz sicher. Nicht etwa, um das Gras vor seinem Kopf besser zu erreichen, er nickt, weil er dem zustimmt, was ich von seinem Frauchen will.
»Ich weiß, es mag alles ungewöhnlich klingen, aber ich bin fest entschlossen, Friedhelm zu kaufen.«
»Sie haben ja noch nicht mal die ganze Tour gemacht.«
»Ja, weil ich mir jetzt schon sicher bin.«
»Und was wollen Sie mit ihm machen?«
»Die Frage sollte eher lauten, was wird er mit mir machen.«
»Versteh’ ich nicht. Was soll er denn mit Ihnen machen?«
Ich habe keine Lust, Bärbel zu erklären, was Friedhelm bereits mit mir gemacht hat, sie soll mir jetzt einen Preis nennen und gut.
»Na ja, Ihre Sache. Ich lass’ es mir durch den Kopf gehen.«
»Wann?«
»Bald.«
»Wann genau?«
»Friedhelm ist ein Tier, an dem ich hänge«, sagt Bärbel.
»Ich doch auch.«
»Das verkauft man nicht einfach
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