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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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mit fester Stimme: »Wir müssen die Reise
unbedingt fortsetzen.«
    Die
Reiseleiterin sah Fanni für einen Moment forschend an, unterließ es jedoch zu
fragen, was sie zu einer derart strikten Äußerung bewog. Stattdessen fasste sie
Olga ins Auge, die mühsam herausbrachte: »Wir werden Martha mit uns nehmen.«
    Gisela
musste ein paarmal schlucken, bevor sie reden konnte. Dann aber klang ihre
Stimme klar. »Es spielt für mich keine Rolle, was heute an diesem Tisch hier
entschieden wird. Nichts und niemand kann mich daran hindern, meine Sachen zu
packen und ins nächste Flugzeug nach Hause zu steigen, falls ich einen solchen
Entschluss fassen würde.«
    Elke
nickte mehrmals, als wolle sie Gisela versichern, dass keiner im Sinn habe, sie
an irgendetwas zu hindern. Dann schaute sie sie eindringlich an und fragte:
»Aber wofür stimmst du?«
    »Ich
enthalte mich«, antwortete Gisela trocken und blickte auffordernd zu Bernd
Freise hinüber, den Letzten in der Runde.
    Da
muss man aber jetzt kein Schwachstellenanalytiker sein, um zu erkennen, dass
eine einzige Gegenstimme am Ergebnis nichts mehr ändern würde!
    Bernd
kaute auf einer Handvoll Nüsse herum. Er hatte die Schüssel, die der
Tuareg-Junge auf den Tisch gestellt hatte, zu sich herangezogen und schon fast
leer gegessen.
    Muss
der ständig was zwischen den Zähnen haben?
    Wie
groß er wohl sein wird?, dachte Fanni. Zwei Meter? Eins fünfundneunzig
mindestens. Und dabei klapperdürr. Womöglich muss er seinen Körper rund um die
Uhr mit Kalorien versorgen, damit er nicht unterzuckert.
    Hat
Gisela nicht erwähnt, er sei Marathonläufer? Zweiundvierzig Kilometer im
Laufschritt, da gehen bestimmt eine Menge Broteinheiten drauf!
    Bernd
schluckte die zerkauten Nüsse, nahm sich neue und drehte eine davon zwischen
Daumen und Zeigefinger hin und her. »In der vorliegenden Situation würde eine
vorzeitige Beendigung der Reise einerseits niemandem nützen, andererseits
jedoch eine ganze Anzahl Beschwerlichkeiten nach sich ziehen: Die Rückflüge
müssten umgebucht …«
    Elke
ließ ihn nicht weiter darüber referieren, welche Maßnahmen im Fall des Abbruchs
einer Gruppenreise erforderlich wären. Sie atmete sichtlich auf, legte den
Stift weg, mit dem sie auf ihrer Liste elf Kreuze gemacht hatte, und sah in die
Runde. Ihre Stimme klang quengeliger denn je, als sie verkündete:
    »Ehrlich
gesagt habe ich darauf gehofft, dass die Abstimmung zugunsten einer Fortsetzung
unserer Reise ausgehen würde. Was ich allerdings nie anzunehmen gewagt hätte,
ist, dass die Pro-Entscheidung so gut wie einstimmig ausfällt. Das macht alles
leichter.« Sie räusperte sich. »Vorsorglich habe ich den morgigen Tagesablauf
bereits neu geplant und organisiert.« Unter der Namensliste zog sie ein Blatt
mit ein paar Notizen hervor. »Und ich habe versucht, wenigstens die wichtigsten
Sehenswürdigkeiten Marrakeschs wiederum ins Programm aufzunehmen.«
    Verhaltenes
Klopfen auf die Tischplatte aus der Richtung von Otto Brügge ließ sie einen
Moment innehalten. Dann fuhr sie fort: »Wir werden uns also morgen Vormittag
noch die Saadier-Gräber, den Bahia-Palast und die Koranschule ansehen, bevor
wir nach Oukaimeden, dem Ausgangspunkt unseres Trekkings, fahren.« Sie sah auf
die Notizen. »Frühstück um sieben Uhr dreißig, Aufbruch um acht Uhr dreißig.«
    »Und
wer weckt uns?«, fragte Hubert mit schwerer Zunge. Er war auf seinem Stuhl ganz
an die vordere Kante gerutscht, sodass sein Hinterkopf an der hohen Lehne ruhen
konnte. »Der Schreihals von der Moschee?«
    Elke
lächelte gezwungen. Der quengelnde Ton steigerte sich dagegen fast zu einem
Keifen, als sie antwortete: »Der Muezzin ruft zunächst in der Morgendämmerung
zum Gebet – so gegen halb fünf in dieser Jahreszeit –, das zweite Mal
ruft er mittags und dann wieder in der Mitte des Nachmittags. Zum vierten Mal
meldet er sich bei Sonnenuntergang und zum fünften und letzten Mal zwei Stunden
nach Sonnenuntergang. Wer also morgens um sechs oder halb sieben geweckt werden
will, wird sich einen Wecker stellen oder an der Hotelrezeption um
telefonischen Weckruf bitten müssen.«
    Kaum
hatte Elke ausgeredet, scharrten schon die ersten Stühle über den Marmorboden.
Brügges und Horns wünschten eine Gute Nacht und verzogen sich.
    Gisela
tuschelte mit dem Schwachstellenanalytiker. Als sie das Wort »Drink« etwas zu
laut sagte, wurde Hubert lebendig. »Auf und an die Bar, Leute. Ohne einen
kräftigen Schlaftrunk werden wir uns nicht aus

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