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Eselsmilch

Eselsmilch

Titel: Eselsmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mehler
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fünfzig sein. Er ist gebildet und
scheint gut situiert. Fährt so ein Mann auf die erstbeste Frau ab wie ein
Dorftrottel in ›Bauer sucht Frau‹?«
    Was
redest du denn da für einen Unsinn, Fanni? Du hast dir doch noch nie eine
dieser Fernsehsendungen angesehen! Da kann es ja durchaus seriös zugehen! Nur
weil du Dieter Bohlen nicht magst, musst du doch nicht sämtliche Shows eines
gewissen Senders verurteilen und Leute in den Dreck ziehen, die händeringend
auf Partnersuche sind!
    Fanni
entging nicht, dass Sprudel ein Grinsen unterdrückte. Doch im nächsten Moment
sagte er ernst: »Gut, nehmen wir einmal an, Bernd hätte sich Gisela mit List
und Tücke und haufenweise Schmeicheleien ›gefügig‹ gemacht. Aber würde ihm eine
Liaison mit ihr – vorausgesetzt er wäre der Täter – nicht mehr Nachteile
als Vorteile bringen? Seine Handlungsfreiheit wäre drastisch eingeschränkt; es
wäre schwieriger für ihn, unbeachtet an sein Opfer heranzukommen; er müsste
sich viel mehr vorsehen.«
    Das
musste Fanni zwar zugeben, wandte jedoch ein: »Andererseits gäbe Gisela ein
wunderbares Alibi für ihn ab. Jeder denkt, dass die beiden zusammen sind,
selbst wenn es gerade nicht so ist. Und außerdem könnte er von Gisela einiges
über mich erfahren: Gewohnheiten, Schwachstellen …«
    Schwachstellen!
Fanni, du vergaloppierst dich!
    Sprudel
rieb sich die Stirn. Überzeugt sah er nicht aus, trotzdem nahm er ihren Einwand
ernst. »Also gut, deine Argumentation ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Lassen wir Bernd als einen der Ersten überprüfen.«
    »Memsahib,
das Dinner ist angerichtet.«
    Fanni
richtete sich erschrocken auf und sah Hubert Seeger grinsend in der Tür stehen.
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr: zehn nach halb acht. Sprudel und sie
hatten versäumt, pünktlich zum Abendessen zu erscheinen. Hubert war extra
heraufgekommen, um sie zu holen.
    Fanni
erhob sich vom Bett, verschränkte die Arme vor der Brust und rieb über ihre
Oberarme. Sie und Sprudel hatten viel zu lange in der eiskalten Kammer
gesessen.
    Sprudel
hatte indessen nach ihrem Rucksack gegriffen und ließ die Verschlüsse
einschnappen.
    Fanni
schaute ihm irritiert zu. Wieso war ihr Rucksack denn offen gewesen?
    Fanni,
Fanni! Hast du dir bei dem Sturz über die Treppe im Restaurant eventuell doch
den Kopf angeschlagen?
    Sie
starrte Sprudels rechte Hand an, die den Rucksack in einer Nische hinter dem
Bett verstaute.
    Irgendwo
begann ein Handy zu klingeln.
    Ja,
natürlich, dachte Fanni, ich habe im Rucksack nach meinem Handy gesucht, weil
ich Leni anrufen wollte.
    Hubert
winkte Fanni zu sich. »Memsahib, darf ich Sie zu Tisch geleiten?«
    Warum
spukt der Kerl mit seinen Possen eigentlich ständig in deiner Nähe herum? Macht
sich Hubert damit nicht viel verdächtiger als Otto, für dessen verletzte Hand
es ja immerhin eine Erklärung gibt?
    Die
für mich nach Unwahrheit riecht, beharrte Fanni und trat auf Hubert zu. Fügsam
ließ sie sich von ihm unterhaken. Als er sie wegführte, stellte sie erfreut
fest, dass ihr Knöchel kaum noch schmerzte.
    Das
ist die gute Nachricht! Die schlechte lautet: Du scheinst ganz schön
durcheinander zu sein!
    Ja,
dachte Fanni, zugegeben. Denn was hier geschieht, lässt sich nicht im Mindesten
mit den Fällen vergleichen, die Sprudel und ich in den vergangenen Jahren
aufklären konnten. Zu wissen, dass man selbst als Mordopfer ausersehen ist,
trübt die Sicht, verstellt den Blick.
    Sie
unterdrückte einen Seufzer. Und das Schlimmste daran ist, ständig in
Tuchfühlung mit den Verdächtigen sein zu müssen, ohne die geringste Ahnung zu
haben, wer von ihnen jede Sekunde darauf lauert, erneut zuzuschlagen.
    Elf
Verdächtige! Neun, wenn man Olga und Gisela ausspart! Und Fanni Rot als
auserkorenes Opfer mittendrin! Ohne wirkliche Möglichkeit, sich zurückzuziehen,
zu entspannen, in Ruhe nachzudenken.
    Fanni
wünschte sich inständig in ihr Hütterl im Wald am Birkenweiler Hügel, wo sie
und Sprudel so viele stille Nachmittage verbracht hatten, unbehelligt und fern
aller störenden Einflüsse, allein mit sich, ihren Gedanken und den Hypothesen
und Theorien, die sie endlos variierten, immer wieder verwarfen und neu
aufstellten, bis diejenige gefunden war, die auf alle Fragen eine logische
Antwort gab und somit das Rätsel, das der Tod eines Menschen aufgegeben hatte,
zwangsläufig löste.
    Fanni
schreckte aus ihren Gedanken auf, als sich die vielen Stimmen um sie herum auf
einmal mit bekannten Gesichtern

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