Eskandar: Roman (German Edition)
Sahra.
Das größte Wasser unseres Landes, der Persische Golf, und weiter oben befindet sich das Reich der Osmanen, und hier leben unsere arabischen Brüder.
Sahra sieht den Reiter an. Nimm meinen Sohn mit dir.
Man trachtet nach meinem Leben, ich kämpfe dafür, dass der König die Verfassung anerkennt, ich lebe gefährlich, sagt Hodjat. Aber sei ohne Sorge, wir werden siegen, und schon bald werden dein Sohn und alle Menschen in diesem Land genügend Wasser und Nahrung haben und in Freiheit leben.
Gott hat dich mir und meinem Sohn geschickt, flüstert Sahra.
Hodjat sieht sie an und sagt, Gott oder wer auch immer es gewesen ist, hätte es früher geschehen lassen sollen.
Im Lager der Erdölsucher
Zwei Tage nach dem Tod von Eskandars Mutter haben die stärks ten Männer im Dorf sich auf den Weg zur Quelle gemacht, um die Steine des Arbab aus dem Weg zu räumen, damit das Wasser wieder fließt. Weder das Wasser noch die Männer sind zurückgekommen. Stattdessen hat Hodjat in der Ferne eine Staubwolke gesehen und sofort gewusst, es sind seine Verfolger. Er ist auf sein Pferd gesprungen und davongeritten.
Eskandar macht, was seine Mutter ihm aufgetragen hat, nimmt das einzig Wertvolle, das er besitzt, den weißen Stein seiner Mutter, und klettert über den Berg zu den Farangi, die Löcher in die Erde seiner Heimat bohren und faack sagen, Unmengen zu essen und zu trinken haben und ihn und alle anderen noch lebenden Kinder aus dem Dorf damit ernähren könnten.
Erst am zweiten Abend, als alle Männer schlafen und die Hunde müde und satt neben den Zelten liegen und nur noch einer der Ausländer mit seinem gelben Haar am Feuer sitzt und wie ein Div Rauch aus seinem Mund bläst, nimmt Eskandar seinen Mut zusammen, schleicht sich leise wie eine Gazelle an den bewaffneten, schlafenden Wachen vorbei, stellt sich vor den Ausländer und sagt mit ausgestreckter Hand: faack.
Zwei Hunde, ein großer und ein kleiner, wachen auf, schnüffeln mit ihren kaltfeuchten Nasen an Eskandars nackten Beinen und kitzeln ihn.
Der Ausländer packt den großen Hund hinterm Kopf, sagt sit, und beide Hunde setzen sich artig hin.
Sit, sagt Eskandar im gleichen Ton wie der Ausländer.
Das gefällt dem Farangi so gut, dass er lacht und etwas sagt, was Eskandar sich leicht merken kann: Yuspiicklisch. Dann legt er seine schwere Hand auf Eskandars Schulter, pfeift durch die Zähne, und zwei andere Farangi kommen mit gezogenen Säbeln angerannt. Die beiden haben die gleiche dunkle Haut wie Eskandar. Sie verneigen sich, nachdem der Mann mit dem gelben Haar ihnen Befehle gibt, und laufen zum ersten Zelt.
Soldiers from British colony, erklärt der Farangi.
Kolloni, sagt Eskandar.
Die beiden Kolloni bringen einen Iraner mit zerzaustem Haar, der Moteardjem, Übersetzer, heißt und sowohl die Worte der Farangi als auch die von Eskandar kennt.
Ahay. Junge, der gnädige Herr will wissen, woher du das Wort kennst, das du gesagt hast.
Statt zu antworten, streckt Eskandar wieder seine schmutzige Hand aus und sagt dieses Mal: Salam, Friede sei mit dir.
Never mind, sagt der Farangi, sagen Sie dem Jungen, es ist gut, wenn er englische Wörter lernt, nur das eine soll er nie wieder sagen.
Good? Khoob?, fragt der Ausländer.
Gud, sagt Eskandar.
Wie sich herausstellt, heißt der Ausländer Richard, und er hat einen Sohn, der genauso groß ist wie Eskandar. Irgendwann werde ich dir eine Fotografie von ihm zeigen, lässt er übersetzen.
Eskandar sagt nicht, dass er nicht weiß, was eine Fotografie ist. Er sagt, dann bleibe ich bei dir, bis die Zeit gekommen ist und du mir zeigst, was immer du mir zu zeigen hast.
Statt zu übersetzen, haut der Moteardjem Eskandar auf den Hinterkopf. Junge, benimm dich, herrscht er ihn an, worauf Richard mit dem Moteardjem schimpft und der auf den Boden sieht.
Das geschieht ihm recht, denkt Eskandar, streckt abermals die Hand aus und sagt: Salam, Richard.
Der Moteardjem hält sich gerade noch zurück, um Eskandar nicht gleich wieder eine runterzuhauen. Nenn ihn Mister oder Saheb Richard.
Mesterr oder Saheb Richard, Salam.
Nein. Du sollst eins von beiden sagen. Entweder Saheb oder Mister. Und es heißt nicht Mesterr, sondern Mister.
Salam, Mesterr.
Salam, Mister-Eskandar, erwidert Richard und lacht aus voller Kehle, dabei schüttelt er die Hand von Eskandar so kräftig, dass es seinen ganzen Körper durchrüttelt.
Nicht einmal sein Vater hatte so große Hände und so viel Kraft, und hätte er nicht gerade erst
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