Eskandar: Roman (German Edition)

versteckt halten und erst wieder zu mir zurückkehren, wenn ein Jahr verstrichen ist.
    Augenblicklich löst Eskandars Lust sich in Luft auf. Sein Arm gleitet von ihrer Taille, und er starrt sie an. Das geht nicht. Das kann ich nicht, stammelt er. Das darf nicht sein. Ich will bei meiner Roxana bleiben und bei Ihnen.
    Sei ohne Sorge. Weder mir noch unserer kleinen Roxana wird etwas zustoßen.
    Unserer? Es ist meine Roxana, schreit es in seinem Kopf, und er reißt seinen gesamten Mut zusammen und sagt, ich werde nirgendwohin gehen. Sie sind die Herrin, und wenn es Ihr Befehl ist, werde ich gehen müssen, aber meine Roxana werde ich mitnehmen.
    Sie sagt nicht Ja, sie sagt nicht Nein, bleibt seelenruhig liegen, lächelt und sagt, nicht mehr lang, und der Tiger wird erfahren, dass du ihn hintergehst und betrügst, und er wird sich rächen wollen, er wird es tun müssen, sagt Mahrokh-Khanum kühl. Dann wirst du deine Roxana nie wiedersehen. Ich möchte, dass du dich in Sicherheit bringst.
    Bevor Eskandar auch nur den Mund aufmachen kann, sagt sie, ich will, dass du mir vertraust. Ich habe schon ganz andere Herausforderungen bewältigt. Jetzt, da ich zum Gerede der Leute geworden bin, kann er sich meiner nicht so leicht entledigen. Er weiß, wenn er mir etwas antut, werden die Leute sagen, er habe es nur getan, um meinen Besitz und meinen Reichtum an sich zu reißen. Das ist gefundenes Fressen für die Leute, sie werden ihn für einen Dieb, für einen Schwächling halten, er wird sein Gesicht verlieren, sie werden ihn meiden, und er wird seine gesellschaftliche und politische Stellung verlieren.
    Aber wie soll ich ohne meine Roxana leben?
    Solange ich am Leben bin, wird es ihr an nichts fehlen, und du wirst sehen, die Zeit wird im Nu verfliegen, und ehe du dich versiehst, wirst du wieder mit ihr vereint sein. Glaube mir, es ist das Beste, sagt Mahrokh-Khanum. Aus welchem Grund solltest du hierbleiben und dein Leben aufs Spiel setzen?
    Die Worte von Mahrokh-Khanum landen wie Stiche in seinem Kopf.
    Aber das Wichtigste, sagt sie, ist, dass du alles, was ich dir heute erzählt habe, aufschreibst. Ich werde den Tiger wissen lassen, dass du die ganze Wahrheit und jede Einzelheit kennst und jedermann davon erzählen wirst, sollte mir etwas zustoßen. Mahrokh-Khanum lächelt verführerisch, als sie sagt, du bist mein Lebensretter. Das wolltest du doch sein. Meiner und der unserer kleinen Roxana.
    Eskandar wird es schwindlig, als wäre er im Sur-Khane und würde sich wie die Derwische um die eigene Achse drehen.
    Ich werde der Retter der schönen Mahrokh, sagt er vor sich hin. Ich bin der Einzige, der dein Geheimnis kennt, und werde es hüten. Sollte dir etwas zustoßen, werde ich dich rächen und den großen Tiger dem Gespött der Leute preisgeben. Und wenn es sein muss, werde ich ihn mit meinen eigenen beiden Händen töten.
    Zufrieden wirft Mahrokh-Khanum den Kopf in den Nacken. Oh, bitte, so weit muss es nicht kommen, sagt sie kühl. Meinetwegen musst du es nicht mit dem Tiger aufnehmen. Es reicht, wenn du weit weggehst, ein gutes Jahr von hier fernbleibst und alles aufschreibst, was ich dir anvertraut habe. Und sollte er sich tatsächlich anders verhalten, als ich glaube, dann möchte ich, dass du nicht zögerst und dein Wissen bekannt machst. Ich verlasse mich auf dich, sagt sie.
    Bevor Eskandar antworten kann, legt sie ihm einen Finger auf den Mund und gibt sich ihm ein letztes Mal hin. Ihr Herz aber bleibt kalt.
    Gleich nachdem Eskandar gegangen ist, schickt Mahrokh-Khanum ihren Eunuchen zum Tiger und lässt ihn zu sich bitten. Sobald er den Raum betritt, sagt sie, nur damit Sie im Bilde sind, der Diener ist geflohen, und er kennt die ganze Geschichte. Sofern mir oder diesem von ihm über alle Maßen geliebten Mädchen etwas zustoßen sollte, hat er den Auftrag, von mir unterschriebene und besiegelte Verfügungen über meinen Besitz zu Richtern und anderen namhaften Männern der Stadt zu bringen. Im Falle meines gewaltsamen oder frühzeitigen Todes werden Sie alles verlieren.
    Mahrokh-Khanum lässt den Tiger nicht zu Wort kommen, außerdem hat der Diener den Auftrag, für den Fall, dass mir etwas zustoßen sollte, an die Öffentlichkeit zu bringen, aus welchem Grund ich Sie zum Mann genommen habe.
    Schon als ich Sie zur Frau genommen habe, wusste ich, Sie sind gerissener als ich und alle anderen Männer zusammen.
    Ich habe entschieden, Sie zum Mann zu nehmen, verbessert sie den Tiger. Ich war bereit, auf vieles, auch auf