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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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gönnt ihrem armen Geliebten seinen kleinen Triumph. Sie kennen sich aus, bemerkt sie.
    Eskandar lächelt, will von seinem Unterricht beim Mullah erzählen und dass er erst Jahre später verstanden hat, dass Prophetmohammad nicht der Name eines gewöhnlichen Mannes, sondern kein Geringerer als der Prophet Mohammad ist. Doch noch während er die Worte in seinem Kopf zurechtlegt, erzählt Mahrokh-Khanum weiter.
    Unter den vielen Gästen, die im Haus meines Vormunds und Ehemanns ein und aus gegangen sind, befand sich auch unser verehrter Palang-Khan. Mein Ehemann machte mich mit ihm bekannt und riet mir, ihn zum Mann zu nehmen, wenn er selber diese Welt verlassen hätte.
    Ihr eigener Ehemann hat Sie in die Arme eines anderen Mannes getrieben?
    Er hat gewusst, die Zeiten des Propheten und der mächtigen Khadija sind Geschichte. Er wusste, in Zeiten wie diesen kann eine Frau noch so klug sein und noch so viel Geld und Reichtum besitzen, sie braucht einen Mann, der sich schützend vor sie stellt und die Geschäfte für sie erledigt. Der Tiger war ein gut aussehender junger Mann, er war ein wunderbarer Liebhaber, noch immer verfügt er über Kraft, Mut und Macht, ein Tiger eben.
    Eskandar verzichtet auf die Frage, ob der Tiger ein besserer Liebhaber ist als er selber, und sieht Mahrokh-Khanum nicht einmal mehr an.
    Der Tiger hatte nicht viel geerbt und das bisschen, was er besessen hat, hat er verspielt, verschleudert oder durch Misswirtschaft verloren, was weiß ich. Jedenfalls habe ich ihm dringend benötigtes Geld gegeben und bin seine Frau geworden.
    Das heißt, die Dörfer, Felder, Leibeigenen -
    Alles meins.
    Dieses Anwesen?
    Alles, was du hier siehst, gehört mir. Ich habe seine Unterschrift und sein Siegel, und dieselben acht Mullah und Akhund haben es beglaubigt, dass er keinerlei Anspruch auf nur einen Fuß meines Besitzes hat. Erst dann habe ich ihm gestattet, mein Ehemann zu werden.
    Gerade will Eskandar Mahrokh-Khanum fragen, aus welchem Grund sie ihm das alles erzählt, da fragt sie, kannst du dir denken, aus welchem Grund ich dir meine Geschichte erzähle?
    Hätte der Mut ihn nicht verlassen, würde Eskandar sagen, weil du mich liebst, weil du willst, dass ich Teil deines Lebens, deiner Welt, deiner Gefühle bin, und er würde sie in die Arme nehmen, küssen und sich mit ihr vereinen, bevor er zurück zu seinem Quartier und seiner Arbeit muss. Er würde ihr sagen, dass er weder die Geschichten über ihren Vormund hören will noch die über den Tiger, und schon gar nicht möchte er hören, wie gut seine Geliebte ohne jeden Mann, also auch ohne ihn, zurechtkommt.
    Du schweigst, sagt Mahrokh-Khanum und sieht ihn verächtlich an. Ich werde dir den Grund sagen, warum ich dir alles das erzähle. Ich habe nämlich den Wunsch, dass du das heute Gehörte aufschreibst. Ich will, dass jeder Mann und jede Frau erfahren, dass es in unserem Land auch heute noch Frauen gibt, die wie die kluge Khadija, die vor 1400 Jahren gelebt hat, wissen, was sie tun und warum sie es tun. Ich will, dass die Welt erfährt, dass eine Frau genauso klug und fähig sein kann wie ein Mann.
    Aufschreiben? Mit allem hat Eskandar gerechnet, nur damit nicht. Seine Stimme überschlägt sich. Am liebsten will er aufspringen und ihr ins Gesicht sagen, dass es vermessen ist, sich mit der Frau des Propheten zu vergleichen, aber er schweigt, und er sagt auch nicht, dass niemand sich für die Geschichte einer Mahrokh-Khanum interessieren wird, sei sie noch so schön, bezaubernd und reich.
    Als Geschichtenerzähler weißt du es natürlich am besten, sagt seine Herrin. Es ist gut, Geschichten für die Nachwelt zu erhalten, nicht nur die von Propheten, Königen und ihren Frauen, sondern von Menschen wie du und ich.
    Eskandar starrt auf seine nackten Füße. Der Morgen naht, er ist müde vom vielen Zuhören, will seine schöne Geliebte noch einmal besitzen, bevor er sich wegschleichen und mit der Arbeit beginnen muss.
    Komm, sagt sie, lass mich dich noch einmal lieben.
    Inzwischen wundert Eskandar sich nicht mehr, dass sie seine geheimen Gedanken und Wünsche kennt. Er lächelt dankbar und legt seinen Arm um ihre schmale Taille.
    Liebe mich, sagt sie, wie du es noch nie getan hast, denn dies wird das letzte Mal sein, dass wir uns vereinen. Danach werde ich dir eine angemessene Summe geben. Du wirst dieses Anwesen verlassen und in den Norden des Landes, in das von den Russen besetzte Gebiet, reiten oder nach Bagdad oder zu den Osmanen oder sonst wohin, dich

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