Eskandar: Roman (German Edition)
meine Freiheit, zu verzichten. Ich tat es, weil ich Sie begehrt habe, sagt Mahrokh-Khanum. Und weil Sie mir gegeben haben, was ich von einem richtigen Mann erwarte.
Palang-Khan legt seine Hände auf den mit der Zeit nicht mehr ganz flachen Bauch und sagt, Sie haben mich begehrt? Viel wichtiger ist Ihnen doch wohl gewesen, Ihren Zutritt zur Gesellschaft nicht zu verlieren, und Sie wollten nicht allein und ohne den Schutz eines Mannes bleiben. Und Sie haben jemanden gebraucht, der die Geschäfte und Finanzen für Sie in der Öffentlichkeit abwickelt.
Mahrokh-Khanum spricht in geschäftlichem Ton, als sie sagt, mag sein, dass es so gewesen ist. Doch die Zeiten und die Dinge haben sich geändert, die Ehe mit Ihnen hat nun mehr Nachteile für mich als Vorteile.
Der Tiger macht den Mund auf, doch Mahrokh-Khanum lässt ihn wieder nicht zu Wort kommen. Ich bin eine Gefangene. Wenn ich überhaupt mein Haus verlassen kann, dann nur in einer geschlossenen Droschke und nur um an einem anderen Ort der Stadt wieder hinter hohen Mauern einer anderen Gefangenen zu verschwinden. Und wen treffe ich dort? Gelangweilte Ehefrauen, die nichts anderes tun, als hinter dem Rücken anderer Menschen, seit Neuestem am liebsten hinter meinem eigenen, zu tratschen. Nein, mein Herr, so ein Leben will und werde ich nicht führen.
Der Tiger ringt nach Atem, als hätte er einen anstrengenden Weg zurückgelegt. Khanum, sagt er, zügeln Sie sich. Nicht ich bin es, der angeklagt werden sollte, sondern Sie. Der Tod wäre die gerechte Strafe für Sie.
Wäre ich ein Mann, könnte ich ungestraft ein Verhältnis mit den Frauen und Mädchen aus meinen Dörfern anfangen. Ich könnte eine Hure oder auch einen Halkon kaufen oder es mit meinem Dienstmädchen treiben, und niemand würde etwas dagegen haben. Nur weil ich eine Frau bin, ist es mir nicht vergönnt, mich zu amüsieren und mein Leben zu genießen. Ich habe eine Entscheidung getroffen, sagt Mahrokh-Khanum. Ich werde dieses Gefängnis verlassen und nach Europa oder Amerika gehen.
Und wofür soll das gut sein? Glauben Sie, dort kann eine Frau tun und lassen, was sie will? Hätten Sie sich nicht wenigstens einen Liebhaber nehmen können, der Ihrem Rang entspricht?, schnaubt er wütend.
Als hätte sie nur auf diese Bemerkung gewartet, lehnt Mahrokh-Khanum sich in ihre Kissen zurück und lächelt. Im Grunde müssten Sie mir sogar dankbar dafür sein, dass es nur ein Diener war.
Sie haben mich zum Narren gehalten, schimpft der Tiger. Dafür soll ich Ihnen auch noch danken?
Mahrokh-Khanum bedeutet ihrem Mann, sich neben sie zu setzen, und wartet geduldig, bis er sich mit seinem schweren und inzwischen nicht mehr ganz gelenkigen Körper auf den Kissen neben ihr niederlässt und sie näher zu ihm heranrücken kann. Sie schiebt Polster hinter seinen Rücken, zupft in aller Ruhe seinen Rock zurecht, verbreitet mit jeder ihrer Bewegungen einen verführerischen Duft und strahlt den Tiger an, als wäre alles zwischen ihnen in bester Ordnung.
Ich kenne Sie. Sie haben sich doch längst einen Plan zurechtgelegt, sagt der Tiger und seufzt, ohne den begehrenswerten Körper seiner jungen Frau aus den Augen zu lassen. Ich bin betrübt, murrt er. Ich bin ein Mann, der seine Ehre verloren hat. Gleichzeitig fühle ich mich niedergeschlagen, denn nun kann ich meinen Kopf nicht mehr in Ihren Schoß legen und so tun, als gäbe es außer Ihnen und mir niemanden in dieser Welt.
Jetzt, in diesem Augenblick, gibt es außer Ihnen und mir niemanden, sagt Mahrokh-Khanum sanft, und sie beginnt ihre Kleider abzulegen und hilft ihrem Mann aus seinem schweren Rock, der Hose, den Gurten, Schnüren und Schals, als hätte er nicht gerade erst eine halbe Stunde und mehr damit verbracht, sich mit Hilfe eines Dieners anzuziehen. Als würden im Haupthaus nicht vierzig und mehr Männer auf ihn warten, um mit ihm zu sprechen, Forderungen an ihn zu richten, ihm politische Geheimnisse anzuvertrauen, für die sie ihm andere nützliche Informationen entlocken.
Stattdessen liegt der Tiger zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder bei seiner schönen Ehefrau Mahrokh und liebt sie mit einer Einfachheit und Leichtigkeit, wie er sie allenfalls mit Frauen und jungen Männern erlebt, die er kauft oder für ihre Dienste bezahlt.
Sie wissen, dass es nur wenigen Männern vergönnt ist, ihre Ehefrauen auf diese Weise zu lieben, sagt Mahrokh-Khanum.
Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ein anderer Mann genau hier bei meiner Frau gelegen, sie
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