Eskandar: Roman (German Edition)
liegt und der Dallack ihm feuchte Tücher um die Schultern legt, um ihn für sein Bad vorzubereiten, ziehen die Bilder der Nacht wieder vor Eskandars innerem Auge vorbei, und er muss an das kleine Muttermal zwischen den Brüsten seiner Aftab-Khanum denken.
Der Dallack rasiert Eskandar-Agha mit scharfer Klinge, nicht nur sein Gesicht, sondern auch seine Achseln und sein Geschlecht. Das hättest du tun sollen, bevor du dir eine Frau nimmst, sagt er. Der Allmächtige sei gepriesen, sagt der Dallack und sieht über sich. Er erhört das Gebet dessen, an dem kein Rest von najessi haftet.
Möge Gott geben, dass ich noch viele solche Nächte und Momente des Glücks erlebe, betet Eskandar still und blickt ebenfalls über sich.
Der Dallack wäscht und schrubbt Eskandar-Agha von Kopf bis Fuß mit einem rauen Lappen und Bimsstein, bevor er ihn wieder in heiße, feuchte Tücher wickelt. Dann knetet und walkt er ihn nicht nur mit seinen kräftigen Händen, sondern nimmt auch seine Ellbogen und sogar seine Knie zur Hilfe. Er biegt, zieht, schiebt und drückt seine Gelenke, Arme, Beine, den Kopf und Nacken, dass es nur so knackt. Und zur Krönung seiner wohltuend schmerzhaften Prozedur geht der Dallack mit bloßen Füßen behutsam über den Rücken von Eskandar, dehnt und streckt ihn und vertreibt so auch die letzte Müdigkeit, die sich in seinem Körper eingenistet hat. Und Eskandar-Agha ächzt und stöhnt und gibt sich dem Wohlgefühl und seiner Zufriedenheit hin. Zum Schluss salbt der Dallak ihn mit Öl und Rosenwasser ein, scheitelt und kämmt ihm das schulterlange Haar, füllt ein Glas mit Granatapfelsaft und schickt wieder ein kleines Stoßgebet zu Allah dem Allmächtigen.
Als er auf die Straße hinaustritt, hat Eskandar-Agha das Gefühl, ein neuer Mensch zu sein. Wie seine Aftab-Khanum es sich gewünscht hat, besorgt er im Teehaus frisch gekochten Reis, gegrillte Tomaten, Zwiebeln, Torshi, Brot und gegrillte Spieße vom Lamm und geht beschwingt in sein neues Heim und zu seiner Ehefrau zurück.
Verraten Sie nur meinem Vater und meiner Mutter nicht, dass ich das Essen für meinen Ehemann nicht selbst gekocht habe, bittet Aftab-Khanum. Und während sie das Essenstuch auf dem Boden ausbreitet, spricht sie im gleichen Ton weiter und sagt: Und denken Sie nicht, dass ich es nicht mitbekomme, wenn Sie mit Ihren Gedanken nicht bei mir, sondern einer anderen Frau sind.
Das Gegenteil ist der Fall, lügt Eskandar-Agha. Ich bin so sehr mit meinen Gedanken bei Ihnen, dass ich fürchten muss, den Rest meines Lebens zu versäumen.
Zu dieser Furcht gibt es nicht den geringsten Anlass. Ab morgen nämlich werden Sie wieder Ihrem Beruf als Schreiber nachgehen. Außerdem möchte mein Vater, dass Sie bei den Handwerkern als Gehilfe anfangen, viel lernen, um später, wenn er alt und gebrechlich ist, seinen Laden übernehmen zu können.
Mein ganzes Leben liegt in der Hand dieser Menschen, denkt Eskandar-Agha, und er sagt: Nur Allah kennt die Zukunft, und nur er weiß, wie sie aussehen wird.
Eskandar-Agha und sein alter Meister Hodjat
Am dritten Tag als Ehemann von Aftab-Khanum hockt Eskandar von morgens früh bis mittags wie ehedem vor dem Basar, liest und schreibt Briefe, Verträge und Dokumente. Am Mittag betet er gemeinsam mit seinem Schwiegervater und den anderen Männern in der Moschee, tauscht Neuigkeiten mit ihnen aus, geht mit seinem Schwiegervater zu dessen Haus, in dem er mit Aftab-Khanum ein Zimmer bewohnt. Er isst mit der Familie zu Mittag, schläft ein Stündchen oder zwei und kehrt wieder in den Basar zurück, sobald es kühler ist.
Schon am vierten Tag drängelt seine Aftab-Khanum, und Eskandar-Agha muss zu den Kesselflickern und Metallschlägern, wo er als Gehilfe beginnt. Am Anfang schmerzt das laute Hämmern, Klopfen und Schlagen in seinen Ohren, doch schon nach ein paar Tagen kommt es ihm vor, als wären die Kesselflicker und benachbarten Schreiner Musiker, die den ganzen Tag zusammen musizieren.
Sein neuer Meister, der Kesselflicker Ali-Agha, ist ein aufrichtiger und freundlicher Mann. Er sieht Eskandar-Agha kaum an, während er spricht, schlägt mit seinem Hammer ein paarmal auf das Metall, sagt ein Wort, hämmert, sagt ein Wort, als würde er mit seinem Werkzeug und dem Metall und nicht mit Eskandar-Agha sprechen. Ich baue alles, sagt er. Alles, was man aus Metall herstellen kann. Töpfe, Teller, Schalen, Öfen, Gießkannen, Toilettenkannen, Kanister für Naft, Wasser, Speiseöl, kunstvolle Tabletts, dekorative
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