Eskandar: Roman (German Edition)
Hauptstadt Takhte-Jamshid, dem prächtigen Thron, von dem aus die Perserkönige einst ihr großes, die halbe Welt umfassendes Reich regiert haben.
Aber das ist ein weiter Weg, warnt Eskandar.
Das erste Mal, als ich dort war, bin ich etwa so alt gewesen wie du jetzt. Kurz danach habe ich deine Mutter gesehen und dir deinen Namen gegeben. Eskandar, der König der Griechen oder, wie die Farangi ihn nennen, Alexander der Große, der unser Land überfallen und den Perserkönig besiegt hat.
Eskandar-Agha und die letzte Reise von Hodjat-Agha
Nichts ist Eskandar lieber, als mit seinem alten Meister die Stadt zu verlassen, denn unter keinen Umständen will er, dass der Alte mit irgendjemandem über ihn spricht und sein neues Leben von seinem alten belastet und vergiftet wird.
Seiner Aftab-Khanum erzählt er, dass er von einem Kunden gut entlohnt worden ist, einen Brief nicht nur zu schreiben, sondern ihn anschließend in einem vier Tage entfernten Dorf abzuliefern.
Sobald sie unterwegs sind, erzählt der alte Hodjat, seine Frau-Zarrin und seine Kinder sind allesamt nicht mehr in dieser Welt. Cholera, Malaria und andere Krankheiten haben mir meine Kinder geraubt, und die Trauer über ihren Tod haben meine Frau-Zarrin getötet. Und du?, fragt der Alte und schwingt die Beine, damit sein klappriger Esel, der wie er selber nicht mehr lange in dieser Welt sein wird, nicht stehen bleibt. Was ist mit dir? Hast du eine Frau genommen?
Das habe ich, verehrter Meister, antwortet Eskandar lächelnd und rührt mit seiner Verlegenheit den Alten so sehr, dass er endlich Erbarmen hat und die Frage beantwortet, die seit ihrer Begegnung unausgesprochen zwischen ihnen steht.
Die verehrte Herrin Mahrokh-Khanum ist, kurz nachdem du uns verlassen hast, mit deiner Roxana ab und an nach Farangestan gereist. Zum Fest des Now-Rouz, des neuen Jahres, statten sie der Heimat einen Besuch ab. Sie lassen sich bestaunen und bewundern und führen ihre neuen Kleider, Hüte und Schuhe vor, sie geben Unmengen Geld aus und entschwinden wieder in ihre reiche, bequeme Farangi-Welt, in der sie, anders als hier, in Frieden leben.
Ich bin einmal zu ihrem Anwesen in der Nähe von Schiras gegangen, erzählt Eskandar.
Junge, was willst du von ihr? Auch wenn du sie sehen würdest, welchen Sinn hätte das? Die Vergangenheit ist vergangen, und jetzt ist jetzt.
Eskandar zuckt die Schultern. Ich weiß nicht. Schon alleine Roxanas wegen, ich habe sie großgezogen, in gewisser Weise gehört sie zu mir, zu meinem Leben.
Statt zu antworten, beginnt der Alte vor sich hin zu summen, dann verstummt er, und sie ziehen so lange schweigend weiter, bis sie an einen Kontrollposten kommen. Ohne zu zögern, zückt Hodjat-Agha einen vergilbten, an den Ecken zerschlissenen Zettel. Die beiden bewaffneten Männer an der Wache drehen und wenden das Dokument skeptisch hin und her. Dein Passierschein ist ziemlich alt und schäbig, sagt der ältere von beiden.
Das ist er in der Tat, sagt der alte Hodjat-Agha. Seht mich an, auch ich bin nicht mehr ganz frisch.
Die Wachen lächeln freundlich und lassen die beiden durch. Lies, sagt Hodjat-Agha und zeigt Eskandar seinen Passierschein.
Er muss das Papier nicht erst lesen, um zu erkennen, es ist eine Seite aus dem Koran.
Schenke ich dir, sagt Hodjat-Agha, wenigstens in dieser Welt wird dies meine letzte Reise sein, und um in die Welt Gottes zu kommen, werde ich hoffentlich keinerlei Passierschein benötigen. Und nun, sagt der Alte, werde ich dir erzählen, was aus dem verehrten Palang-Khan geworden ist. Unser selbsternannter König Resa-Khan, der wie diese beiden Soldaten an der Wache weder lesen noch schreiben kann, gleichwohl aber die eine oder andere nutzbringende Entscheidung getroffen hat, hat Palang-Khan jeden Fuß Erde, den er in Teheran besessen hat, weggenommen.
Eskandar verzichtet darauf, seinem alten Meister die Wahrheit über die Besitzverhältnisse des Tigers und Mahrokh-Khanums zu erzählen. Ich bin dort gewesen, sagt er, ich habe gesehen, wie das Anwesen zerstückelt und zerteilt ist. Die Leute sagen, die Angehörigen und die Familie des Königs leben dort.
Palang-Khan ist geschlagen und gekränkt hierher in den Süden gegangen, in seine Heimat, an den Ort seiner Geburt, dort hat er eine Truppe zusammengestellt, ist gegen die Verbände des Resa-Khan zu Felde gezogen und hat die Schlacht binnen weniger Stunden verloren.
Damals, als ich den Tiger und die Nationalisten im Kampf gegen den König der Qajaren und die
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