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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siba Shakib
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während ihre Augen hin und her hasten, Eskandar wach und aufmerksam ansehen, als müsste sie sich beeilen, sich jedes Detail einzuprägen.
    Eskandar-Agha fällt auf, dass es bis auf die geschlagene Frau, die ihm den Brief diktiert hat, eine Ewigkeit her ist, seit er einer Frau ins Gesicht gesehen hat, und er kann seinen Blick nicht mehr von seiner Braut wenden. Sie hat volle Lippen, glänzende Augen mit dichten, langen Wimpern; ihre hohen Wangen sind rosig wie die Blüte einer Tulpe. Sie ist schön, denkt Eskandar-Agha, stellt sich vor, wie er sie küsst, in die Arme schließt und wegträgt, hinaus in den Frühling, weg von dem schweren Weihrauch, dem Lärm, der Brautmutter, dem Mullah. Also liebe ich sie, denkt Eskandar, sonst hätte ich nicht den Wunsch, sie wegzutragen und mit ihr allein zu sein.
    Als würde sie seine Gedanken lesen, berührt sie sanft sein Knie. Ihre Finger fühlen sich an wie zarte Beine eines Schmetterlings, der mit den Flügeln schlägt, auf der Haut kitzelt und auf- und davonfliegt. Eskandar-Agha schließt die Augen, hält den Atem an, will den Moment festhalten und erinnert sich an damals, als Mahrokh-Khanum ihn nach ihrem heimlichen Ausritt in die Stadt auf die Stirn geküsst hat. Vielleicht hilft mir dieses Mädchen, das jetzt meine Ehefrau ist und tatsächlich ein rundes Gesicht hat und aussieht wie der Mond, dabei, Mahrokh-Khanum zu vergessen, denkt Eskandar-Agha, und vielleicht vergesse ich auch meine Roxana und ebenso die Gefühle von Schuld, sie nie wirklich gesucht und meine Freunde betrogen zu haben.
    Wieder beugt die Mutter der Braut sich zu Eskandar-Agha herüber. Dieses Mal steckt sie ihm ein kleines weißes Tuch zu. Damit du weißt, dass meine Tochter unberührt ist, flüstert sie und spitzt die Lippen keck, als wollte sie selbst ihren Schwiegersohn küssen.
    Eskandar-Agha rückt näher an die Braut heran, berührt ihr Knie, spürt, wie ihr Atem ruhiger wird, wie sie ihn ansieht. Er spürt ihr Lächeln und in seinem Herzen die erste Wärme für sie.
    Damit es an süßen Momenten in eurem Leben nicht fehlen möge, ruft die Mutter seiner Braut und reicht den beiden einen Teller mit hart gebackenem Honig, der in Ringe und Blumen geformt ist. Seine Braut bricht ein Stück von der klebrigen Süßigkeit ab, schiebt es ihm in den Mund. Ihre Finger berühren seine Lippen, seine Zunge, sie zieht sie nicht weg, schenkt ihm einen scheuen Blick. Den Rest des Süßen an ihren Fingern leckt sie selbst ab. Einige der jungen Frauen sehen es und kichern hinter vorgehaltener Hand. Und Eskandar wird wunderbar verwirrt und schwindelig, und er dankt es seiner Braut mit einem seligen Lächeln.
    Die Mutter der Braut gibt ihm einen Stoß in die Seite, ermutigt ihn, seiner Braut ebenfalls von den Honigringen zu geben. Das Mädchen fischt mit der Zunge danach, leckt das klebrig Süße von seinen Fingern und weckt in Eskandar-Agha den Mann.
    Die Frauen trällern, als die Mutter dem Mondgesicht auf die Beine hilft und mit ihr in den hinteren Raum verschwindet. Sobald sie weg ist, wird es kalt um Eskandar. Er sieht ihr nach, will ihr folgen, aber der Mullah hält ihn am Arm zurück. Weil du keinen Vater und auch sonst niemanden hast, werde ich dir sagen, was zu tun ist, wenn ein Mann zum ersten Mal eine Frau nimmt.
    Am liebsten will Eskandar-Agha ihm einen Schlag versetzen, er senkt aber den Blick und schweigt.
    Benutze das weiße Tüchlein, wenn du dich mit ihr vereinigst, sagt der Mann Gottes. Nur so wirst du wissen, ob du einem Betrug erlegen bist oder ob die Saifeh tatsächlich noch Jungfrau ist.
    Blut steigt Eskandar ins Gesicht.
    Nachdem du dich mit ihr vereint hast, musst du das öffentliche Bad aufsuchen und dich waschen, erklärt der Mullah. Das Unreine, das Najessi der Frau, darf nicht an dir haften bleiben. Geh zum Dallack ins Badehaus, sag ihm, dass es das erste Mal für dich ist; er wird dir zeigen, wie die rituelle Waschung vonstatten geht, damit du es beim nächsten Mal ohne seine Hilfe machen kannst. Sag deiner Frau, es ist ihre Pflicht, für deine Zufriedenheit und Befriedigung zu sorgen, erklärt der Mullah und greift sich unwillkürlich zwischen die Beine.
    Eskandar sieht über die anzügliche Art des Mullah hinweg, sagt nicht, dass es nunmehr seine Ehre ist, die auf dem Spiel steht, weil schließlich jetzt die Tochter des Händlers seine Ehefrau ist.
    Der freundliche Agha-Nossrat kommt ihm zu Hilfe. Dankbar küsst Eskandar-Agha seine Hand. Bei allem, was mir heilig ist, sagt er,

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