Esquivel, Laura - Bittersuesse Schokolade
wenigen Tagen einen Sack voll Nüsse nach dem anderen zu knacken, sondern hätte auch noch einen Heidenspaß bei dieser Plackerei gehabt.
Druck ausüben, zerquetschen und das Fell abziehen waren einige ihrer leichtesten Übungen gewesen. Die Stunden waren ihr wie im Fluge vergangen, wenn sie sich im Patio mit einem Sack voll Walnüsse auf dem Schoß niedergelassen hatte, und sie hatte sich nicht eher wieder erhoben, als bis sie mit dem ganzen Sack fertig war.
Für sie wäre das Knacken dieser tausend Nüsse, das sie allesamt soviel Mühe kostete, ein Kinderspiel gewesen. Diese unvorstellbare Menge erklärte sich daher, daß für 25 Pfefferschoten 100 Nüsse benötigt wurden, 250 Chilis also 1000 Nüsse erforderten. Zur Hochzeit waren 80 Personen aus dem engsten Familien- und Freundeskreis geladen. Jeder einzelne konnte gut und gerne drei Pfefferschoten verzehren, was eine realistische Rechnung war. Es handelte sich zwar um eine Hochzeitsfeier in intimem Rahmen, dennoch wollte Tita ein Festessen mit 20 Gängen geben, wie es früher üblich war, und dabei konnten selbstverständlich die gefüllten Pfefferschoten mit Walnußsauce nicht fehlen, denn so verlangte es der denkwürdige Anlaß, auch wenn das diese mühevolle Vorbereitung bedeutete. Tita kümmerte es wenig, wenn sie vom Häuten einer solchen Unmenge von Nüssen schwarze Finger bekam. Diese Hochzeit war ein Opfer allemal wert, hatte sie doch für Tita eine ganz besondere Bedeutung. Ebenso für John. Er war so überglücklich, daß er sich als einer der engagiertesten Mitstreiter bei der Vorbereitung des Festessens hervorgetan hatte. Daher war er auch einer der letzten gewesen, der sich zurückzog. Eine Verschnaufpause hatte er sich also redlich verdient.
Zum Umfallen müde wusch er sich wieder daheim im Bad die Hände. Ihm schmerzten die Nägel von all dem Nüsseschälen. Als er sich anschickte, schlafen zu gehen, überkam ihn erneut ein Gefühl tiefsten Glücks. In wenigen Stunden würde er Tita näher sein, und dieser Gedanke stimmte ihn froh. Die Trauung war für zwölf Uhr mittags angesagt. Er warf einen letzten prüfenden Blick auf den Smoking, der über einem Stuhl hing. Bis ins kleinste lag seine gesamte Hochzeitskleidung für den folgenden Tag ordentlich bereit, in freudiger Erwartung des großen Augenblicks, in dem sie zur vollen Geltung kommen sollte. Die Schuhe waren auf Hochglanz poliert, der Binder, die Schärpe und das Hemd makellos. Zufrieden darüber, daß alles seine Ordnung hatte, atmete er einmal tief durch, legte sich hin und fiel, kaum daß er seinen Kopf auf das Kissen gebettet hatte, in abgrundtiefen Schlaf.
Pedro hingegen konnte keinen Schlaf finden. Eine höllische Eifersucht nagte in seinen Eingeweiden. Der Gedanke, daß er an der Hochzeit teilnehmen und Titas Bild an Johns Seite ertragen sollte, machte ihm schwer zu schaffen.
Für Johns Haltung ging ihm jegliches Verständnis ab, es mochte gerade so scheinen, als flösse ihm Maisbrei in den Adern! Über seine Beziehung zu Tita mußte er doch einfach im Bilde sein. Und dennoch tat er weiterhin so, als wäre rein gar nichts geschehen! Gerade heute nachmittag noch, als Tita den Backofen anzünden wollte und nirgendwo die Streichhölzer finden konnte, war John, der unverbesserliche Kavalier, doch sogleich zur Stelle gewesen, um ihr seine Hilfe anzubieten. Und damit noch nicht genug! Nachdem das Feuer entfacht war, hatte er Tita die Streichhölzer verehrt, wobei er ihre Hände ergriff! Wieso mußte er Tita unentwegt derart einfältige Geschenke machen? Das nutzte John doch nur als willkommenen Vorwand, um vor seinen Augen Titas Hände zu streicheln. Ganz bestimmt hielt er sich für vorbildlich erzogen, doch er würde ihm schon zeigen, was einem Mann, der eine Frau wahrhaft liebt, so alles einfällt. Mit einem Griff nach seiner Jacke machte er sich wütend auf, um John grün und blau zu prügeln.
An der Tür hielt er jedoch jäh inne. Er würde damit nur das Gerede der Leute über Titas Schwager heraufbeschwören, der mit John am Tag vor der Hochzeit eine Schlägerei angefangen hat.
Der Lärm, den Tita in der Küche verursachte, schwoll nun in seinem Schmerz unerträglich an.
Tita dachte an ihre Schwester, während sie die paar Walnüsse schälte, die noch auf dem Tisch lagen. Rosaura wäre sicherlich gerne bei der Hochzeit dabeigewesen. Doch die Ärmste war vor einem Jahr gestorben. In ihrem Gedenken hatte man ein volles Jahr verstreichen lassen, bevor die kirchliche Trauung
Weitere Kostenlose Bücher